Karl Nolle, MdL

Der Spiegel - Nr. 25, 18.06.2001

Biedenkopfs Joker

Politpoker in Dresden
 
DRESDEN. Politpoker in Dresden: Der Einsatz von Wolfgang Berghofer, Ex-SED-Bürgermeister, könnte die Union an der Macht halten -und dürfte seinen Geschäften nicht schaden.

Für einen kurzen Augenblick wurde das Phantom sichtbar. Auf der Aussichtsplattform des 15. Stocks des Dresdner World Trade Centers posierte Wolfgang Berghofer, letzter DDR-Bürgermeister der Elbestadt, für die Fotografen.

Dann zog sich der heutige Unternehmensberater und Firmensanierer in den Konferenzsaal zurück und verkündete den Journalisten in knappen Worten seinen Rückzug: „Ich stehe nicht zur Verfügung." Das war am 11. Mai. Die Erklärung sollte den Schlusspunkt setzen hinter monatelange Spekulationen, ob er für das Amt des Dresdner Oberbürgermeisters kandidieren will oder nicht.

Berghofers Wort hielt freilich gerade mal vier Wochen, bis zum Dienstag vergangener Woche, 20.20 Uhr. Das war der Zeitpunkt, als im Dresdner Rathaus ein Bote mit einem Schriftstück eintraf, in dem Berghofer nun doch seine Kandidatur mitteilte. „Nicht ich will es", ließ der inzwischen zum Kapitalismus konvertierte Ex-Kommunist verlauten, „die Wähler wollen es."

Beim ersten Urnengang am Sonntag zuvor hätte keiner der Bewerber die Wahl für sich entscheiden können. Allerdings endete der Tag mit einer Überraschung: Der als Favorit geltende Amtsinhaber Herbert Wagner (CDU) holte nur 42,8 Prozent, und der von Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf öffentlich als „unzuverlässig" und „inkompetent" abgestempelte Kandidat eines Regenbogenbündnisses von FDP bis PDS, Ingolf Roßberg, lag mit 47 Prozent vorn. „Mit Berghofer" freut sich nun der Dresdner CDU-Kreisvorsitzende Dieter Reinfried, „werden die Karten neu gemischt" - dürfte der doch das Oppositionsbündnis zersplittern und Stimmen von Roßberg abziehen, so dass CDU-Mann Wagner gewinnen könnte.

Dass Berghofer, der wegen der Fälschung der DDR-Kommunalwahlen vom Mai 1989 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, überhaupt noch antreten darf, liegt am sächsischen Kommunalwahlsystem. Der zweite Wahlgang am kommenden Sonntag ist keine Stichwahl, sondern eine Neuwahl, bei der auch Kandidaten mitmischen können, die sich im ersten Wahlgang nicht beworben hatten. Zum Sieg reicht dann die einfache Mehrheit.

CDU-Gegner halten die Berghofer-Kandidatur für ein Schmierenstück, indem der durch private Affären angeschlagene Biedenkopf eine Rolle spielt. Der Ex-SED-Funktionär Berghofer hat seit Jahren regelmäßig Kontakt zu Sachsens CDU-Übervater - so segeln die beiden gern gemeinsame Törns auf dem bayerischen Chiemsee. Seit 1990 finden die Duzfreunde Wolfgang und Kurt Hans übereinander nur lobende Worte. Berghofer über Biedenkopf: „Ein historischer Glücksfall für Sachsen." Biedenkopf über Berghofer: „Ein kluger Kopf."

Selbst ein Parteifreund Biedenkopfs, der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt, sieht in der Berghofer-Kandidatur vor allem Wahlkampfhilfe für die Biedenkopf-Truppe. „Es liegt der Gedanke durchaus nicht fern", analysiert Patzelt in Dresdens Lokalpresse, „dass es sich um einen Entlastungsangriff zu Gunsten der CDU handelt" - Biedenkopfs Joker.

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt am vorigen Freitag gab sich der Kandidat siegesgewiss, räumte aber zugleich selbst ein, sollte er nicht gewinnen, „ist die Kandidatur Wahlkampfhilfe für die CDU".

Intern machte der Unternehmensberater Berghofer, der sich daran gewöhnt hat, mit Millionen zu jonglieren, keinen Hehl daraus, dass der OB-Sessel nicht gerade die Erfüllung seiner beruflichen Träume ist. Schon im Januar hämte er: „Vom OB-Gehalt könnte ich nicht einmal meine Büromiete bezahlen." Das Grundgehalt des Dresdner Oberbürgermeisters beträgt rund 13 000 Mark.

Und schließlich spürte der ehemalige FDJ-Funktionär Berghofer, ein wendiger Mann mit Stasi-Akte (IM Falk), schon in Wendezeiten, wo seine wahre Berufung liegt - im freien Unternehmertum. Vor allem ein Mann hatte Berghofer, als der noch Dresdens Stadtoberhaupt war, schon damals beeindruckt: Rudi Häussler, millionenschwerer Immobilien-Unternehmer aus Stuttgart. Der Schwabe ebnete Berghofer den Weg in die Marktwirtschaft. Nach dessen Abschied aus der Politik holte ihn Häussler ins Unternehmen - als Generalbevollmächtigten für Ostdeutschland.

Jetzt will Berghofer in Dresden wirtschaftlich Fuß fassen, und dann kann es nicht schaden, bei der CDU einen Gefallen gut zu haben. Die Entwicklung einer Brache in der Innenstadt zu einem Freizeit- und Erlebnispark könnte der lukrative Einstieg sein. Berghofers Pläne für das so genannte Ostragehege waren schon vor Wochen Thema beim Dresdner OB-Wagner.
(Andreas Wassermann)

Karl Nolle im Webseitentest
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