Karl Nolle, MdL

TAZ - Tageszeitung, 08.01.2001

Der virtuelle Kandidat - Bei der Dresdner Oberbuergermeisterwahl droht der SPD ein Fiasko

Nun soll es der letzte SED-Buergermeister richten
 
DRESDEN. Eigentlich sollte am Wochenende alles klar sein. Wenn die Dresdner im Juni einen neuen Oberbuergermeister waehlen, sollten sie zwischen Amtsinhaber Herbert Wagner (CDU) und dem SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle entscheiden. Designierter OB-Kandidat stand seit langem auf Nolles Briefkopf. Doch nichts ist mehr klar seit diesem Wochenende. Die fuer Samstag geplante Kandidatenkuer wurde kurzerhand gestrichen. Noch vor seiner Wahl trat Nolle zurueck.

Sechs Monate vor dem Urnengang steht Sachsens SPD, die bei der letzten Landtagswahl nur 10,7 Prozent der Stimmen erhielt, ohne Kandidaten da. Hamburgs frueherer Buergermeister Voscherau, Brandenburgs Exministerin Hildebrandt oder PDS-Star Gysi - wen auch immer die saechsischen Sozis ins Gespraech gebracht hatten, laechelte muede. So blieb nur Nolle.

Um seine Qualifikation zu unterstreichen, nutzte der vor allem eines: sein Mundwerk. Bei Ministerpraesident Kurt Biedenkopf machte Nolle eine "nationalsozialistische Familientradition" aus, die bis heute wirke. In einer Pressenotiz zu Sebnitz fand er die Formulierung "ethnische Stoiberung" witzig. Zu Jahresbeginn versprach er allen jungen Menschen, die nach Sachsen kommen, 5.000 Mark Begruessungsgeld. Gegen Ruecktrittsforderungen auch aus den eigenen Reihen staerkte die Parteispitze Nolle den Ruecken. Man hatte keinen besseren Kandidaten.

Um gegen Wagner eine Chance zu haben, braucht ein SPD-Kandidat PDS und Gruene. Die wollten die "Politgurke Nolle" aber nicht unterstuetzen. Am Mittwoch reagierte Nolle. Wie hilflos Sachsens Sozis sind, zeigte am Freitag Landeschefin Constanze Krehl. "Wer ernsthaft an einer Abwahl von Oberbuergermeister Wagner interessiert ist, muss Gedanken in einen Kandidaten Berghofer investieren."

Der letzte SED-Buergermeister Wolfgang Berghofer als linker Kandidat fuer Dresden? "Ich wuerde vor allem in Fragen der Wirtschaft und Verwaltung keine als links bezeichnete Politik machen", erklaerte der Unternehmensberater. Er stehe mit keiner Partei in Verhandlung. "Ich bin bestenfalls virtueller Kandidat." Warum sollte er, der beste Kontakte zur Wirtschaft hegt und einst aus Dresden gejagt wurde, sich die Provinzposse antun? "Verletzte Eitelkeiten", gibt Berghofer, der 1990 aus der PDS austrat, unumwunden zu.

SPD-Chefin Krehl weiss selbst, dass dieses politische Programm duerftig ist. Ohnehin droht ein Kandidat Berghofer die gebeutelte Partei zum Bersten zu bringen. Er komme nicht in Frage, erklaerten die Spitzen des Dresdner SPD-Unterbezirkes sofort. Der gescheiterte Nolle formulierte es so: "In Berghofer sind etliche zehn Jahre Bautzen versammelt." Knast, meint er. Aber das ist der saechsischen SPD eigentlich egal: Wer hoert schon auf einen designierten Exkandidaten, der nie signiert wurde.
(Nick Reimer)

Karl Nolle im Webseitentest
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