Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 05.01.2001

Opposition tappt im Dunkeln

Nach Absage von Nolle steht auch SPD ohne eigenen Kandidaten da
 
DRESDEN. Bei der Such nach einem Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl am 10. Juni tappt die Opposition in der Landeshauptstadt weiterhin im Dunkeln. Nach der Erklärung von Karl Nolle, nicht als Herausforderer von Amtsinhaber Herbert Wagner (CDU) anzutreten, steht die SPD mit leeren Händen da und sagte die für den 6. Januar geplante Wahlversammlung ab. Nolle war es nicht gelungen, Grüne und PDS für ein Bündnis gegen OB Wagner zu gewinnen. Seinen Verzicht begründete er mit der Ablehnung der beiden anderen Parteien, doch galt Nolle auch in den eigenen Reihen nicht als Traumbesetzung.
Die Unfähigkeit der Genossen von der Elbe, rechtzeitig eine attraktive Alternative zu Herbert Wagner aufzubauen, hatte am Mittwoch SPD-Generalsekretär Müntefering aus Berlin anreisen lassen. Von 30 Vertretern aus 12 Ortsvereinen erfuhr er, dass der Druckereibesitzer Nolle bereits seinen ansonsten unerschütterlichen Optimismus verloren hatte.
Der schwergewichtige Ex-Juso und Wirtschaftssprecher seiner Landtagsfraktion hatte sich ausgerechnet, an der Spitze einer Anti-Wagner-Bewegung das Dresdner Rathaus und damit die „zweitwichtigste politische Stellung in Sachsen“ erobern zu können. Doch zum einen gefiel PDS & Co. der Kandidat Nolle nicht, zum anderen misstrauen sie möglicherweise einer Umfrage, in der sich 60 Prozent der Befragten gegen den Amtsinhaber ausgesprochen haben sollen. Wagner gilt zwar als „blass“, jedoch als glaubwürdig und zuverlässig.
Weil die SPD jetzt ohne Kandidaten dasteht, Grüne und PDS bis auf die Ex-Bewerberin Christine Ostrowski nicht einmal Namen genannt haben, schauen Linke und Bunte jetzt wie gebannt nach Berlin. Dort wohnt mit dem früheren SED-Stadtoberhaupt Wolfgang Berghofer ein Mann, der seit 10 Jahren politisch aus dem Geschäft ist. Den möglichen Image-Schaden, den ein Berghofer-Comeback bundesweit für Dresden auslöste, würde zumindest die PDS in Kauf nehmen. Doch Berghofer hüllt sich noch in Schweigen.
(Hubert Kemper)

Kommentar
Die SPD-Landesvorsitzende hat am 4.1.01, ohne sich mit der Dresdner SPD ins Benehmen zu setzen, die Wählbarkeit von Berghofer ins Spiel gebracht.
Eine Meinungsbildung zu Berghofer kann aber in der Dresdenr SPD solange nicht stattfinden, als von ihm keinerlei Aussagen über Inhalte und Politikstil vorliegen und ebenfalls keine Antwort auf eine Kandidatur gegeben wurde. Sollte der Versuch gemacht werden, von wem auch immer, ohne Prüfung, Würdigung und Bewertung aller bekannten und noch abzufordernden Fakten eine Berghoferunterstützung der Dresdner SPD mehrheitlich aufzuzwingen, so ist das die Zerreissprobe der Partei, abgesehen davon dass zahlreiche Mitglieder mit zusammen einigen zehn Jahren Bautzen nach der Wende ihre politische Heimat in der SPD gefunden haben.
Mit den Altlasten von Berghofer wird kein Amtsbote, Referent oder Referatsleiter bei der Stadt oder sonstwo im öffentlichen Dienst eingestellt.
Um nicht mißverstanden zu werden, es geht um die Spitze der Stadt, an die andere Maßstäbe angelegt werden müssen. Berghofer als OB, das wäre ein Schlag ins Gesicht der tausenden Kleinen, die man "hängte" um die Großen laufen zu lassen.
Wäre das nicht gerade das falsche Signal 10 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur? Ich bin gespannt auf die demokratischen Verrenkungen, die uns in den nächsten Monaten noch zugemutet werden und auf die überzeugenden Erklärungen, warum mit Berghofer alles gut werden wird. Einige U-Boote, auch in der SPD, haben ihre Sehrohre zum Auftauchen schon ausgefahren. Da wird es seltsame Koalitionen geben.
KARL NOLLE

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: