Karl Nolle, MdL

Darmstädter Echo, 09.01.2001

Die Wende nach der Wende?

Was sich in Dresden anbahnt
 
DRESDEN. Wird die Landeshauptstadt Dresden demnächst vom früheren SED-Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer regiert werden? Mit dieser spannenden Frage beschäftigen sich die Bürger der sächsischen Metropole, seit Berghofer mit dem Gedanken spielt, bei den nächsten OB-Wahlen im Juni dieses Jahres als parteiloser Kandidat anzutreten. "Ich werde mir die Sache überlegen", ließ der inzwischen als Unternehmensberater tätige Berghofer am Wochenende verlauten. Und fügte vieldeutig hinzu: "Sollte ich zu dem Ergebnis gelangen, dass meine Kandidatur zum Wohle Dresdens und seiner Bürger geschieht, dann werde ich dies rechtzeitig zur Kenntnis bringen."

Berghofer kann in der Stadt schließlich mit breiter Zustimmung rechnen: Umfragen ergaben, dass der frühere SED-Mann allerbeste Chancen hat, das amtierende Stadtoberhaupt Herbert Wagner (CDU) schon im ersten Wahlgang zu schlagen. Möglicherweise kann Berghofer sogar mit der Unterstützung der Opposition rechnen: Sowohl SPD als auch PDS lassen durchblicken, dass sie einen Kandidaten Berghofer "für durchaus vorstellbar" halten, wie die SPD-Landesvorsitzende Constanze Krehl und der PDS-Landesvorsitzende Peter Porsch nahezu wortgleich wissen ließen.

Mit Wolfgang Berghofer versucht ein schon zu DDR-Zeiten angesehener Politiker sein Comeback. Der in Bautzen geborene Arbeitersohn, gelernter Maschinenbauer und zeitweilig inoffizieller Stasi-Mitarbeiter, war 1986 zum Oberbürgermeister Dresdens ernannt worden. Berghofer gehörte Ende der achtziger Jahre zu den Hoffnungsträgern der SED.

Im Wendeherbst 1989 diskutierte Berghofer mit den Demonstranten und hoffte später sogar auf ein Ministeramt im ersten Kabinett von Kurt Biedenkopf. Doch der ließ das "große politische Talent" (Biedenkopf über Berghofer) fallen, als Berghofers Verstrickungen in die Wahlfälschungen bei den DDR-Kommunalwahlen bekannt wurden. Berghofer resignierte: Er trat aus der SED/PDS aus und zog sich nach Berlin zurück. Anfang der neunziger Jahre wurde er dann vom Landgericht Dresden wegen Wahlfälschung zu einem Jahr Haft auf Bewährung sowie zu einer Geldbuße von 36 000 Mark verurteilt.

Dass er überhaupt als ernsthafter Kandidat gehandelt wird, ist vor allem auf das Ungeschick des sozialdemokratischen Bewerbers Karl Nolle zurückzuführen, der am Wochenende das Handtuch warf. Der aus Hannover nach Dresden übergesiedelte Druckereiunternehmer war in den vergangenen Wochen von einem Fettnäpfchen ins andere getreten. Zum Schluss war auch der SPD die "Politgurke Nolle" (so die Grünen) unheimlich geworden, und sie zwang den West-Import zum Rückzug.

Jetzt wollen die Sozialdemokraten möglichst zusammen mit PDS und Grünen nach einem gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters suchen. Ob die drei Parteien sich dabei auf Wolfgang Berghofer einigen können, ist zur Zeit noch offen. Die PDS ist jedenfalls kompromissbereit: Ihre OB-Kandidatin Christine Ostrowski hat bereits durchblicken lassen, dass sie im Fall einer Bewerbung des früheren SED-Manns wieder Platz machen könnte.

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