Karl Nolle, MdL

Der Spiegel 34/2012, Seite 38, 19.08.2012

Blut, Ehre und TNT - Das Neonazi-Netz „Blood & Honour“ leistete dem Terror-Trio

 
Der explosive Stoff hätte für zwölf Splitterbomben gereicht. Oder 20 Handgranaten. in jedem Fall hatte er genug Sprengkraft, um ein Blutbad anzurichten: Insgesamt 1392 Gramm TNT stellte die Polizei im Januar 1998 in jener Garage in Jena sicher, in der Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe vor ihrem Abtauchen ihre Bombenwerkstatt eingerichtet hatten.

Seit der Flucht der Rechtsextremisten rätselten Ermittler, wie die drei an den Sprengstoff gelangt waren. Jetzt, 14 Jahre später, liefert das Geständnis einer einstigen Neonazi- Größe aus Sachsen die Erklärung. in stundenlangen Vernehmungen gab der mutmaßliche NSU-Unterstützer Thomas S. vor Beamten des Bundeskriminalamts zu, damals rund ein Kilo TNT beschafft und an Mundlos übergeben zu haben. Die Aussagen von s. bele-gen zudem, dass das Terror-Trio Ende der neunziger Jahre auf die unter - stützung des straff organisierten Neo-nazi-Netzes „Blood & Honour“ (B & H) bauen konnte.

Der heute 44-jährige Thomas S. war früher einer der bedeutendsten Aktivisten der B & H-Sektion sachsen und gehörte zeitweise einer berüchtigten skinhead-Truppe in Chemnitz an, den „88ern“. Die drei Jenaer habe er wohl auf einem Konzert der Nazi-Band „Oithanasie“ kennengelernt; man hielt Kontakt, auch als S. wegen Körperverletzung und Volksverhetzung ins Gefängnis musste.

Nach seiner Haftentlassung, so S., habe er von Ende 1996 bis April 1997 ein „Techtelmechtel“ mit Beate Zschäpe gehabt. in dieser Zeit habe Mundlos ihn gefragt, ob er Sprengstoff besorgen könne. S. habe sich daraufhin bei B & H-Kameraden umgehört und wenige Wochen später ein Päckchen in der Größe eines kleinen Schuhkartons erhalten. Absender der Ware, die über einen weiteren B & H-Aktivisten überbracht worden sei, war laut S. Jörg W., damals ebenfalls Mitglied der B & H-Sektion Sachsen. Von dem ehemaligen Bundeswehrrekruten, der seine Grundausbildung bei der Artillerie absolvierte, sei bekannt gewesen, dass er mit TNT experimentiere. W. dagegen gab bei der Polizei an, sich nicht erinnern zu können, Sprengstoff an S. geliefert zu haben. Der wiederum schilderte den Fahndern, wie er das TNT in seinem Keller entgegengenommen und an Mundlos weitergegeben habe. Uwe habe sich noch beschwert: Er wisse doch gar nicht, wie man das Zeug zünde.

Auch als das Trio einige Monate später untertauchte, war ihm Thomas S. zu Diensten. Die drei hätten an seiner Tür geklingelt und nach einem „Pennplatz“ gefragt. Daraufhin habe er herumtelefoniert; schließlich seien sie für ein paar Wochen bei Thomas R. untergekommen, einem chemnitzer B & H-Kameraden, bevor sie bei Max-Florian B. einzogen und später nach Zwickau übersiedelten. Dass S., der von der Bundesanwaltschaft der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung beschuldigt wird, juristische Konsequenzen fürchten muss, gilt als unwahrscheinlich – die Vorwürfe gegen ihn sind wohl verjährt.

Maik Baumgärtner, Maximilian Popp


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