Karl Nolle, MdL

Agenturen, dpa, 17:00 Uhr, 13.09.2012

Nach der jüngsten Aktenpanne im Fall NSU wird es nicht nur für den MAD ungemütlich.

 
Auch der sächsische Verfassungsschutz gerät in Erklärungsnot. Ist er wirklich jedem Hinweis auf mögliche NSU-Unterstützer nachgegangen?

Dresden (dpa) - Der sächsische Verfassungsschutz gerät in Sachen NSU erneut in die Bredouille. Eine Akte, in der der spätere Rechtsterrorist Uwe Mundlos erwähnt wird, war ihm im Juni 1995 vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) in Kopie zugesandt worden - nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa ein 28-seitiges Dokument. 17 Jahre später kann das Landesamt nur noch drei Seiten davon finden. «Die auf dem Schreiben vermerkten sechs Anlagen liegen hier nicht vor», erklärt der Verfassungsschutz auf Anfrage.

Mit einer Erklärung dafür kann der Nachrichtendienst nicht dienen. Hinweise oder Vermerke darüber, dass auch die anderen 25 Seiten nach Dresden gesandt wurden, aber irgendwann verschwanden, gebe es nicht, hieß es am Donnerstag. Dabei wurde nach dpa-Informationen im Oktober 2000 das Fehlen der Anlagen sehr wohl bemerkt - und in der Akte selbst schriftlich festgehalten.

Die drei auffindbaren Seiten wurden von den Sachsen zwar an die NSU-Untersuchungsausschüsse in Bund und Land gesandt - aber wieso können 25 Seiten einfach abhandenkommen? Und was haben die sächsischen Ermittlungsbehörden seinerzeit eigentlich mit dem Papier angefangen? Auf dem waren immerhin die Namen von sechs jungen Männern aufgelistet, die während ihres Wehrdienstes in Bad Frankenhausen 1994/1995 «u.a. durch gemeinsames Hören von Skin-Musik und teilweise mit rechtsextremistisch zu wertendem Verhalten aufgefallen» waren.

Dazu gehörten nach dpa-Informationen neben Mundlos ein weiterer Thüringer, zwei Sachsen-Anhalter und auch zwei Sachsen - einer aus Leipzig und einer aus dem Raum Döbeln. Nicht mehr in Dresden auffindbar sind die vom MAD an die Verfassungsschutzämter der drei Länder und des Bundes als Anhang gesandten, auszugsweise dokumentierten «6 B-Berichte». Diese Gesprächsprotokolle des MAD mit den sechs auffällig gewordenen Soldaten liegen der Nachrichtenagentur dpa vor.

Darunter befindet sich auch ein dreiseitiger Rapport zu Mundlos. Zitiert wird der spätere Rechtsterrorist etwa mit der Bezeichnung «Aso-Partei» für die NPD. Mundlos soll sich als politisch unmotiviert bezeichnet haben - und als Oi-Skin. Sein Vater habe seine Mitgliedschaft in einer Skinhead-Gruppe immer akzeptiert und sei der Auffassung gewesen: Lieber Skin als Punk und drogenabhängig.

Der Bericht endet mit einer durchaus wichtigen Anmerkung: Mundlos sei gefragt worden, ob er sich vorstellen könne, ihm bekannt gewordene Termine für Anschläge auf Asylbewerberheime bei Polizei oder Verfassungsschutz zu melden. Dies soll der damals 21-Jährige verneint haben. Er könne sich nicht vorstellen, mit den zuständigen Behörden zu kooperieren. Knapp drei Jahre nach der Befragung taucht Mundlos dann unter - und kann jahrelang unentdeckt in Sachsen leben. Zehn Morde sollen auf das Konto des «Nationalsozialistischen Untergrunds» gehen.

Die Obfrau der Linksfraktion im sächsischen U-Ausschuss, Kerstin Köditz, will nun wissen, welchen Weg die MAD-Akte vom 27. Juni 1995 genommen hat. Sie fragt, ob Sachsens Behörden nach dem Verschwinden von Mundlos die Hinweise aus dem Papier aufgriffen und die beiden auf der Liste aufgeführten Sachsen ins Visier nahmen. «Immerhin bestand einige Wahrscheinlichkeit, dass diese alten Kontakte hätten reaktiviert werden können», sagt Köditz.

Zumindest der aus dem Raum Döbeln stammende Wehrdienstleistende hatte in seiner MAD-Vernehmung ziemlich laut getönt: Er würde sich dafür einsetzen, dass der Nationalsozialismus in Deutschland wieder auflebe, sagte er aus. Seine Einstellung sei ziemlich weit rechts außen. Er neige zwar nicht zum Terrorismus. Aber ob er geplante terroristische Aktionen melden würde, wollte der heute 42-Jährige den MAD-Vernehmern im März 1995 nicht beantworten - weil er das Zusammengehörigkeitsgefühl in der rechten Szene nicht gefährden wolle. Hinzugefügt haben soll er dann auch noch, dass man als Rechter regelrecht verfolgt werde - und dadurch gezwungen sei, seine Einstellung zu verleugnen und im Hintergrund zu arbeiten.

Köditz will die MAD-Aktenpanne in der Parlamentarischen Kopntrollkommission und im U-Ausschuss zur Sprache bringen. Sie zeigt sich überzeugt, dass weitere «Skandale» folgen werden: «Es bestätigt sich wieder einmal der Eindruck, dass in Sodom und Gomorrha im Vergleich zum sächsischen Landesamt wunderbar geordnete Verhältnisse geherrscht haben.»

Autor: Tino Moritz

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131700 Sep 12

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