Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 15.09.2012

Wirbel um V-Mann aus der Neonazi-Szene - Geheimgremium tagt erneut zur Terror-Zelle

 
Dresden. Bei den Ermittlungen zum Zwickauer Neonazi-Trio kommen die Sicherheitsbehörden nicht aus den Negativschlagzeilen. In Dresden tagte gestern die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) in geheimer Sitzung, auch wegen unvollständiger Akten. Für erheblichen Wirbel aber sorgte die Nachricht, ein mutmaßlicher Terrorhelfer habe als V-Mann fürs Landeskriminalamt (LKA) Berlin gearbeitet - mit Hinweisen Richtung Sachsen.

Die Meldung aus Berlin war von einiger Brisanz. Ein Sprengstofflieferant der Zwickauer Terror-Zelle hat für die Sicherheitsbehörden gespitzelt. Dabei handele es sich um den wegen Körperverletzung vorbestraften Neonazi Thomas S. aus Chemnitz, geführt wurde dieser beim LKA Berlin, als sogenannte "Vertrauensperson", wie V-Leute bei der Polizei heißen. Und dieser S. habe bereits 2002 Hinweise auf den möglichen Aufenthaltsort der Rechtsterroristen gegeben.

Das war bereits am Donnerstag Thema im U-Ausschuss des Bundestags in Berlin, gestern aber erreichte der brisante Fall mit Wucht den Freistaat - bei der PKK-Sitzung in Dresden. Schon im Vorfeld hatte Kerstin Köditz (Linke) auf Aufklärung gedrängt, ihr ging es nicht zuletzt um mögliche Absprachen zwischen dem LKA in Berlin und dem in Dresden. Nebenbei aber hatte sie einen bösen Verdacht formuliert: Es gebe Indizien, dass Thomas S. nicht nur in Berlin, sondern "auch als V-Mann für den sächsischen Geheimdienst tätig gewesen ist". Konkret: Im Auftrag der Schlapphüte habe er Neonazi-Netzwerke im Freistaat ausgespäht.

Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, hätte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) ein gravierendes Problem. Denn nach dem Rückzug von Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos Anfang Juli trifft jede weitere Panne im Freistaat den Ressortchef unmittelbar. Gestern allerdings gab es hier erstmal Entwarnung. Der ehemalige Skinhead-Aktivist und V-Mann, hieß es aus der PKK in Dresden, sei in Sachsen niemals als verdeckt agierender Verbindungsmann eingesetzt worden.

Ein Geheimdokument zur rechtsextremen Szene im Raum Johanngeorgenstadt aus dem Landesamt für Verfassungsschutz legt allerdings eine andere Lesart nahe. In dem Papier, das dieser Zeitung vorliegt, taucht auf Seite 21 der nur unvollständig geschwärzte Klarname eines V-Manns aus der rechtsextremen Szene auf. Einiges spricht dafür, dass es sich hierbei um genau jenen Thomas S. aus Chemnitz handelt, der auch fürs Berliner LKA unterwegs war.

Für zusätzliche Verwirrung sorgte darüber hinaus eine Akte des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) aus dem Jahr 1995. Grund: Eine Kopie des Papiers soll an den sächsischen Verfassungsschutz gegangen sein, und darin taucht der spätere Rechtsterrorist Uwe Mundlos auf. Dabei handelt es sich just um jene Akte, die am Donnerstag in Sachsen-Anhalt erst für erhebliche Unruhe gesorgt hatte. So musste der dortige Chef des Geheimdienstes, Volker Limburg, gehen, weil er die Existenz des Papiers allzu lange geleugnet hatte.

Auch in Dresden bewegt die MAD-Akte die Gemüter. Denn von insgesamt 28 Seiten sind ganz offensichtlich nur drei vorhanden. Für Köditz fehlt damit "der eigentliche Inhalt". Nach der PKK-Sitzung gestern verlautete, die fehlenden 25 Blatt hätten in Sachsen niemals vorgelegen. Aber zumindest haben die Behörden in Magdeburg die vollständige Version mittlerweile wiederentdeckt.

Von Jürgen Kochinke

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