Karl Nolle, MdL

welt-onlie, 28.09.2012

Verfassungsschutz wollte Ralf Wohlleben anwerben

 
Der ehemalige NPD-Funktionär und mutmaßliche NSU-Unterstützer Wohlleben war zwar kein V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes. Es soll jedoch einen Anwerbeversuch gegeben haben.

Thüringer Sicherheitsbehörden haben doch Kontakt zum mutmaßlichen Unterstützer des NSU-Terrortrios und ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben gesucht. Das gehe aus einer Gesprächsnotiz vom Februar 1999 hervor, die jetzt bei Bundesbehörden aufgetaucht sei, teilte das Landesamt für Verfassungsschutz am Freitag in Erfurt mit.

Danach hätten der Thüringer Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt (LKA) Wohlleben "angesprochen" – in beiden Fällen jedoch mit negativem Ergebnis. Ob es sich um einen Anwerbeversuch als V-Mann gehandelt habe, könne anhand der Gesprächsnotiz nicht mit Sicherheit gesagt werden, sagte ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums auf Anfrage.

Es bleibe dabei, dass der damalige NPD-Funktionär Wohlleben, der das Terrortrio mit einer Waffe versorgt haben soll, kein V-Mann Thüringer Sicherheitsbehörden gewesen sei, erklärte der Ministeriumssprecher.
 
Die Gesprächsnotiz soll nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa vom Bundesamt für Verfassungsschutz nach einem Telefonat mit einem damaligen Mitarbeiter des Thüringer Verfassungsschutzes angefertigt worden sein. Die Thüringer Behörde soll nach ihrem gescheiterten Versuch dem Bundesamt in dem Telefonat abgeraten haben, mit Wohlleben Kontakt zu suchen. Die Notiz soll jetzt beim Bundesamt für Verfassungsschutz gefunden worden sein.

Untersuchungsausschüsse informiert

Die Untersuchungsausschüsse von Bundestag und Thüringer Landtag seien über den Vorgang bereits am Donnerstag informiert worden, heißt es in der Mitteilung des Thüringer Verfassungsschutzes. Die Mitglieder des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) aus Jena werden für zehn Morde verantwortlich gemacht.

Nach dem Bericht der von der Thüringer Landesregierung eingesetzten Schäfer-Kommission soll der Verfassungsschutz im Winter 1999 vergeblich versucht haben, über einen Anwalt mit der Familie des Neonazis Uwe Böhnhardt über eine freiwillige Rückkehr des Trios aus dem Untergrund zu verhandeln. Mindestens im März 1999 soll Wohlleben durch den Thüringer Verfassungsschutz observiert worden sein.

Es habe in den Behörden unterschiedliche Abstufungen von "Ansprachen" von Angehörigen der rechten Szene gegeben, sagte der Sprecher des Thüringer Innenministeriums zu der Gesprächsnotiz. Deshalb könne heute nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden, worum es im Fall Wohlleben gegangen sei. Wohlleben war 1999 in die NPD eingetreten und dort bis zum Vize-Landeschef aufgestiegen.

Haftbedingungen verschärft

Die Haftbedingungen von Wohlleben, der im thüringischen Tonna (Kreis Gotha) in Untersuchungshaft sitzt, waren Anfang September verschärft worden. Er soll die Postkontrolle im Gefängnis umgangen haben. Wohlleben ist wegen seinen Verbindungen zur Zwickauer Terrorzelle NSU seit Ende November 2011 in U-Haft. Er war in Jena festgenommen worden.

Unterlagen zu Wohlleben waren in dieser Woche überprüft worden. Das Bundesinnenministerium war Hinweisen nachgegangen, dass einer der Beschuldigten aus dem Umfeld der Terrorzelle NSU möglicherweise in der NPD als V-Mann für eine Sicherheitsbehörde tätig war. Der Hinweis stammte von einem heutigen Bundesanwalt, der vor Jahren im Bundesinnenministerium arbeitete und dort an der Vorbereitung des ersten NPD-Verbotsverfahrens beteiligt war.

Oppositionspolitiker hatten daraufhin den Verdacht geäußert, dass die Sicherheitsbehörden jahrelang viel mehr über das Terrortrio und dessen Mordserie wussten als sie nun eingestehen. Erst kürzlich war ans Licht gekommen, dass die Berliner Polizei über einen längeren Zeitraum den NSU-Unterstützer Thomas S. als Informanten führte.

dpa/sara

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