Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 06.10.2012

Der Soldat mit dem Rudolf-Hess-Bild

 
Aus einer Akte des Militärischen Abschirmdienstes geht hervor, dass NSU-Mörder Uwe Mundlos der sächsischen Polizei schon 1994 aufgefallen war.

Es war die Zeit vom April 1994 bis März 1995. Der gelernte EDV-Kaufmann Uwe Mundlos aus Jena leistete gerade seinen Grundwehrdienst im Panzergrenadierbataillon 381 in der Kyffhäuser-Kaserne in Bad Frankenhausen ab. Der Mann, der damals manchem noch als normaler Soldat erschien, sollte später als Mitglied der rechtsextremistischen NSU-Terrorzelle bekannt werden.

Im Zuge der derzeitigen Ermittlungen wird nun klar, dass es auch damals schon Hinweise auf die menschenverachtende Gesinnung von Mundlos gab – und dass sie sogar registriert wurden. Als Geschäftszimmersoldat des Kompanieführers hatte Mundlos keinen schlechten Posten. Dafür fiel der 21-Jährige als Neonazi in Uniform auf. Mit Kameraden aus Döbeln, Leipzig, Thüringen und Sachsen-Anhalt hörte er Skinheadmusik. Auch sonst lebte er seine rechte Gesinnung anscheinend so offen aus, dass Vorgesetzte Meldung machten. Wenige Tage vor seiner Entlassung knöpfte sich deshalb der Militärische Abschirmdienst (MAD), der Geheimdienst der Bundeswehr, den Panzergrenadier vor.

Glaubt man, was Mundlos den MAD-Leuten erzählte, so war er trotz seiner Ausbildung bei Jena-Optik reichlich frustriert, sah keine Berufschancen, wollte erstmal ein Jahr arbeitslos „feiern“, wie er es nannte, das sei besser als „malochen“. Wehrdienst sah er als Pflichterfüllung. Den Dienst zu verlängern, kam für ihn nicht infrage.

Schon mit 15, so erzählte Mundlos dem MAD, sei er aus Trotz gegen das SED-Regime Skinhead geworden und habe Kontakt zu Gleichgesinnten aufgenommen. Dass er Junger Pionier und FDJler war, sah Mundlos als „notwendiges Übel“ an. Dem MAD stellte er sich als unpolitischen Oi-Skin vor, dem es nur darauf angekommen sei, mit Kumpels loszuziehen, Musik zu hören und Spaß zu haben.

Die Selbstdarstellung darf bezweifelt werden. Denn bereits drei Monate nach Beginn seines Wehrdienstes fiel Mundlos am 13.August 1994 im sächsischen Annaberg auf, wohl während eines Kurzurlaubs. Seitdem ist Mundlos in Sachsen polizeibekannt, vermutlich sogar als Neonazi. An diesem Tag kontrollierte ihn an einem Supermarkt die Polizei, anscheinend wegen seines Skinhead-Outfits.

Sachsens Ordnungshüter reagierten damals alljährlich Mitte August sensibel auf Neonazis, um den 17. August pflegte die Szene den Geburtstag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess zu feiern. Tatsächlich fanden die Beamten bei Mundlos ein Bild von Hess sowie Visitenkarten mit einem Comic-Kopf Adolf Hitlers. Daraufhin wurde der Soldat festgenommen und kam nicht rechtzeitig zurück zur Truppe.

Die sächsische Polizei nahm die Sache so ernst, dass am Tag darauf in Jena sogar die elterliche Wohnung durchsucht wurde. Informationen des „Spiegels“ zufolge, fand die Polizei dabei NPD-Propagandamaterial und Tonbandkassetten mit rechter Hassmusik. Man kann wohl glauben, dass Mundlos danach einen „Heidenärger“ mit seinem Vater hatte, wie er dem MAD erzählte. Als die Geheimdienstler fragten, ob er sich vorstellen könne, der Polizei oder dem Verfassungsschutz Informationen zu liefern, lehnte der Neonazi ab.

Laut „Spiegel“ wurde Mundlos nach dem Vorfall in Sachsen von seinem Hauptmann zu einer Woche Disziplinararrest verdonnert. Doch ein Truppenrichter kassierte die Strafe. Kurz danach wurde Mundlos zum Gefreiten befördert und bei der Entlassung zum Obergefreiten der Reserve. Nach seiner Entlassung vom Bund, am 19. August 1995, holte Mundlos nach, was ihm sächsische Polizisten ein Jahr zuvor vermasselt hatten. Er nahm am Hess-Gedenkmarsch in Schneverdingen am Rande der Lüneburger Heide teil, so registrierten es Thüringens Verfassungsschützer.

Bei der sächsischen Polizei in Chemnitz geriet Mundlos in Vergessenheit. Auch als er im Oktober 1999 in der Stadt zusammen mit seinem Komplizen Uwe Böhnhardt die ersten beiden Banküberfälle beging und von den Überwachungskameras gefilmt wurde, erkannte auf den Bildern keiner die markant abstehenden Ohren von Uwe Mundlos. Beide Neonazis standen zu dieser Zeit am Beginn ihrer mörderischen Karriere.

Von Thomas Schade

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