Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 15:06 Uhr, 30.05.2013

Prozess gegen Jugendpfarrer König - "Es wird gelogen, gelogen, gelogen" (POLIZEI - VIDEOS !!!)

 
Wegen schweren Landfriedensbruchs bei einer Anti-Nazi-Demo steht der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König in Dresden vor Gericht.

Doch die Videos, die im Prozess gezeigt wurden, stützen nicht die Aussagen der Polizisten, die den 59-Jährigen belasten.

"Ihr Sachsen, steht doch mal auf, wehrt Euch! Ihr wart doch mal protestantisch", ruft Lothar König und lacht. Der Jenaer Jugendpfarrer steht in einem Saal der Evangelischen Hochschule Dresden und spricht vor mehr als hundert Zuhörern über seinen Prozess vor dem Amtsgericht Dresden. König ist angeklagt wegen schweren Landfriedensbruchs. Er soll bei der Anti-Nazi-Demo am 19. Februar 2011 Protestler zu Gewalt gegen Polizeibeamte aufgehetzt haben.

Die Besucher der Veranstaltung nehmen Königs Ausspruch mit Humor. Sie ahnen: Zum Lachen ist dem 59-Jährigen nicht zumute. Für ihn steht viel auf dem Spiel. "Bei einer rechtskräftigen Haftstrafe über ein Jahr ist ein Pfarrer zu entlassen", sagt Michael Lehmann, Oberkirchenrat und Personaldezernent der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Lehmann nimmt als Zuschauer an der Hauptverhandlung teil. Bislang gebe es für die Kirche "keine Erkenntnisse, dass die Vorwürfe stimmen".

Von den Aussagen der Polizisten abgesehen, gibt auch die bisherige Beweisaufnahme dazu keinen Anlass. König nahm an jenem Februartag mit seinem blauen VW-Transporter an der Kundgebung teil, ausgerüstet war der Wagen mit Lautsprechern. Mannschaftsführer Alexander E. berichtete vor Gericht, wie er den Bus Königs passierte und seinen Kollegen in neun Polizeifahrzeugen per Funk das Kommando zum Wenden erteilte.

"Faustgroßer" Stein in die Autoscheibe

Während des Manövers, sagte der Polizist aus, habe er aus dem "Lauti", wie König und seine Junge Gemeinde den VW-Bus nennen, den Aufruf gehört: "Deckt die Bullen mit Steinen zu!" Er habe daraufhin den Befehl ausgegeben, Schutzhelme aufzusetzen, das Sondersignal einzuschalten - und schon sei ein "faustgroßer" Stein geflogen, der eine der hinteren Autoscheiben zertrümmert habe.

"Ich habe Lothar König als Fahrer erkannt", sagte Mannschaftsführer E. vor Gericht. Und: "Die Stimme kam aus dem Lautsprecher." Er betonte zwar, er könne nicht behaupten, dass "Herr König das gesagt hat", aber er sei sich ganz sicher: Der Gewaltaufruf erfolgte im Moment des Wendemanövers.

Das unten aufgeführte Video, das vom Dach des Pfarrer-Busses aufgenommen wurde, scheint die Schilderungen des Mannschaftsführers zu widerlegen. Es wurde in der Hauptverhandlung gezeigt. In dem Film ist eindeutig zu erkennen, wie Königs "Lauti" an der Polizei-Karawane vorbeifährt, das Wendemanöver jedoch zu einem viel späteren Zeitpunkt stattfindet, als der Beamte behauptet.

Video hier ansehen: Aufnahme vom Dach des Lautsprecherwagens

Zudem ist nicht nur keine einzige Drohung zu vernehmen, sondern aus den Lautsprechern dröhnt "Bella Ciao", das Lied der italienischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg - inzwischen fast eine Hymne der anarchistischen Bewegung. Musik aber will der Mannschaftsführer keine gehört haben.

Interessant ist auch: Am 23. März 2011 - 32 Tage nach den heftigen Ausschreitungen bei der Demonstration in Dresden - gab Mannschaftsführer E. zu Protokoll: "Eine nicht feststellbare Person forderte die Menschenmenge über Lautsprecher oder Megafon auf, die Polizeifahrzeuge anzugreifen. Im gleichen Atemzug wurden die Fahrzeuge mit Steinen und Flaschen beworfen."

Erinnerungen nach Monaten plötzlich konkreter

Am 21. September 2011 allerdings - 214 Tage nach der Anti-Nazi-Demonstration - waren die Erinnerungen des Polizeibeamten wesentlich konkreter als kurz nach den Vorfällen. "Ich kann auch ausschließen, dass es über ein Megafon kam, da ich in unmittelbarer Nähe des Lautsprecherwagens stand und Ansagen über Megafon völlig anders klingen und auch nicht so laut."

Der Gewaltaufruf "Deckt die Bullen mit Steinen ein!" sei "definitiv aus diesem Fahrzeug" gekommen. "Zumal sich dieses Fahrzeug unmittelbar auf gleicher Höhe mit unserem Fahrzeug befand. Den Abstand schätze ich auf circa fünf Meter ein", sagte E. in seiner Zeugenvernehmung.

"Es wird gelogen, gelogen, gelogen", empört sich Pfarrer König. Sein Verteidiger Johannes Eisenberg wollte den Beamten deshalb vereidigen lassen, doch der Vorsitzende Richter Ulrich Stein lehnte ab.

Ein weiterer Vorwurf gegen König lautet, er habe während der Demonstration versucht, einen Steinewerfer vor dem Zugriff der Polizei zu schützen. Dieser soll sich in einen von König gefahrenen Lautsprecherwagen geflüchtet haben. Dazu wurde vor Gericht ein Beamter befragt. Polizisten hätten jenen Steinewerfer aus Königs Wagen gezerrt und festgenommen, sagte dieser Beamte aus.

Video hier ansehen: Steinewerfer hält sich am Lautsprecherwagen fest

Ein zweites Video, das ebenfalls im Gerichtssaal gezeigt wurde, zeigt hingegen, wie ein Steinewerfer sich am fahrenden Transporter festhält, während mehrere Polizisten den Wagen verfolgen. Später schlägt einer der Polizisten mit dem Schlagstock auf den Verdächtigen ein, trifft ihn in der Nähe des Kopfes und reißt ihn vom fahrenden Wagen fort.

Königs Verteidiger Eisenberg wertet die Szene als "Straftat im Amt". Es sei "geprügelt, aber nicht gesprochen worden", kritisiert der Rechtsanwalt. Dafür hätten die Polizisten zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Sein Mandant habe an keiner Stelle versucht, jemanden vor der Polizei zu decken. Der befragte Polizeibeamte entgegnete, er habe von dem Schlagstock nichts gesehen.

Von Julia Jüttner, Dresden


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