Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 16.01.2014

„Der Vulkan kann jederzeit wieder ausbrechen“

 
Sachsens SPD-Vize Eva-Maria Stange will den Personalstreit in ihrer Partei offen ausdiskutieren. Eva-Maria Stange glaubt, dass einige ihrer Parteigenossen nur eigennützige Ziele verfolgen.

Frau Stange, im Wahljahr 2014 stellt die sächsische SPD ihre Kandidatenliste auf, und hinterher gibt es plötzlich Wut und Tränen. Was ist da passiert?

Der ursprüngliche Listenvorschlag von Parteichef Martin Dulig war ausgewogen. Er hat damit Verantwortung bewiesen und sowohl jungen Genossen eine Chance zum Einzug in den Landtag geboten als auch den für uns extrem wichtigen Regionalproporz Rechnung getragen. Die Mitgliederzahl in den SPD-Unterbezirken ist schließlich unterschiedlich groß. Trotzdem sollten alle Regionen im Parlament vertreten sein, „weiße Flecken“ darf es nicht geben.

Und weshalb dann Wut und Tränen?

Diese sinnvolle Verabredung im Landesvorstand wurde später auf der entscheidenden Wahlkonferenz von Delegierten des mitgliederstarken Verbands Dresden – trotz Ablehnung aus den eigenen Reihen – ignoriert. Stattdessen hat man für sich lieber mehr Landtagsmandate angestrebt und sich dank der organisierten Stimmenmehrheit auch durchsetzen können. Das ist aber höchst unfair und unsolidarisch gegenüber den kleineren SPD-Kreisverbänden und auch wider alle Absprachen.

Änderungen auf einem Listenvorschlag sind nichts Ungewöhnliches. Warum halten Sie das diesmal für einen Fehler?

Nach dem ausgewogenen Vorschlag von Martin Dulig hätte die SPD-Landesliste ein großer Erfolg werden können. Der erste Vorschlag stand schließlich durchweg für Kompetenz und landesweite Präsenz der SPD-Kandidaten. Dass dies nun nicht mehr der Fall ist, war im Vorfeld nicht absehbar. Die jetzige Situation ist aber auch kein Zufallsprodukt. Niemand kann behaupten, diese Abstimmungsergebnisse und damit die Änderungen auf der Landesliste seien irgendwie „vom Himmel gefallen“. Nein, da haben einige gezielt darauf hin gesteuert. Denen war offenbar egal, wie gut oder schlecht wir künftig im Parlament aufgestellt sind. Sie verfolgen nur ihre eigenen Ziele. Das ist schade und macht nicht nur mich wütend und traurig.

In gut sieben Monaten wird in Sachsen der neue Landtag gewählt. Kommt die SPD da überhaupt noch rechtzeitig aus diesem Schlamassel raus?

Jetzt, am Tag danach, müssen wir alles dafür tun, die aufgerissenen Gräben innerhalb der Partei schleunigst aufzuarbeiten. Der entstandene Konflikt muss sachlich ausdiskutiert werden. Passiert das nicht, können wir kein neues Vertrauen untereinander, zu bestimmten Personen sowie gegenüber der Öffentlichkeit herstellen. Auch wenn wir jetzt eigentlich alle Kraft für den Wahlkampf brauchen, eine Vogel-Strauß-Politik bei diesem wichtigen Thema würde uns viel mehr schaden.

Manchen Ihrer Genossen dürfte es nicht recht sein, wenn Sie auf eine solche schmerzhafte und offen geführte Diskussion drängen. Sie wollen das lieber intern klären oder halten Ihre Argumente sogar für völlig übertrieben?

Dazu kann ich nur sagen, es ist ein Vertrauensverlust aufgetreten, und der muss aufgearbeitet werden. Etwas anderes hilft uns bestimmt nicht weiter. Der Vulkan brodelt und kann jederzeit wieder ausbrechen.

Das Gespräch führte Gunnar Saft.

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: