Karl Nolle, MdL

Spiegel 14/2015, Seite 17, 29.03.2015

SPD - Kämpft doch!

 
Jakob Augstein Im Zweifel links

Viele Sozialdemokraten haben einen heimlichen Wunsch: Mitglied der CDU zu sein. Es nervt auf Dauer unheimlich, zu wissen, wie es geht, und dennoch nicht gewählt zu werden. Sigmar Gabriel sagt zwar: „Wir führen dieses Land. Alle entscheidenden Projekte dieser Regierung stammen von uns.“ Das stimmt und gilt mehr noch für die Großstädte und die Länder, in denen die SPD Macht ausübt. Doch in Berlin, sagt Gabriel, könne es „sehr lange dauern, bis wir wieder den Kanzler stellen“.

Zwei Jahre im Voraus gibt der SPD-Chef und wahrscheinliche Kanzlerkandidat die Wahl verloren. Nicht sehr geschickt. Warum nur haben SPD-Kandidaten so oft zwei linke Hände anstatt einer glücklichen für linke Politik?

Nun will Gabriel, so hört man, die SPD in die „Mitte“ führen, an jenen Nicht-Ort der Politik, an dem alle Konturen verschwimmen. Wenn das wahr ist, muss man in Abwandlung eines alten Achternbusch-Titels sagen: Die SPD hat keine Chance – aber sie nutzt sie auch nicht. Gabriel hat ja schon im letzten Wahlkampf eine sonderbare These vertreten: „Es geht nicht darum, gegen andere zu kämpfen, sondern für ein besseres Deutschland.“ Das war zwar ganz lieb vom Sigmar, bestätigte aber die alte Schulweisheit, dass gute Jungs auf die Ersatzbank kommen, böse Mädchen aber ins Kanzleramt.

Woran ist die SPD gescheitert? Nicht an ihren Themen, sondern an ihrem Kandidaten. Die Schwächen der Kanzlerin sollten die Stärken der SPD sein.
Das deutsche Steuersystem ist immer noch widersinnig und ungerecht. Die Mehrzahl der Deutschen gehört nicht zu den Couponschneidern, die davon profitieren, dass Kapitalerträge viel niedriger besteuert werden als Einkommen aus Arbeit. Die SPD sollte sich zum Ankläger einer zunehmenden Ungleichheit und Ungerechtigkeit machen, anstatt ins bürgerliche Uns-ging-es-nie-so-gut-wie-jetzt-Lied einzustimmen.

Noch einfacher lässt sich die Kanzlerin in der Europapolitik treffen. Sie spaltet die EU und schadet dem An - sehen, das sich Deutschland in Jahrzehnten erarbeitet hat Und gegenüber den USA ist Angela Merkel von einer schwer auszuhaltenden Nachgiebigkeit, erklärbar vielleicht aus ihrer ostdeutschen Herkunft. Martin Schulz, Sozialdemokrat und Präsident des Europäischen Parlaments hat vor Kurzem ausgesprochen, was vermutlich die Mehrzahl der Deutschen denkt: dass die Politik der USA die Europäer geradezu zwinge, „eigene politische Wege anzudenken“. Sich aus amerikanischer Abhängigkeit zu lösen, die in Deutschland viel mehr Menschen ein Dorn im Auge ist, als Politik und Medien zugeben wollen, wäre ein großes sozialdemokratisches Projekt.

Immer wird vergessen: Das Ergebnis der letzten Bundestagswahl war eine Mehrheit links der Mitte. Noch war sie zu klein und politisch zu instabil. Das zu ändern ist Gabriels eigentliche Aufgabe.

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: