Position - 2/02 - Magazin der SPD-Fraktion im SLT, 01.06.2002
Eine „Ära“ ist zu Ende
Stimmen aus der sächsischen SPD zum Rücktritt Biedenkopfs
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Karl Nolle, SPD-Obmann im Paunsdorf-Untersuchungsausschuss
Kurt Biedenkopf ist an sich selbst und seinen eigenen verkorksten Ansprüchen gescheitert. Neben dem Anlocken von Investoren, dem Aufbau neuer Behörden und Ämter wäre der ersten demokratischen Landesregierung nach der mausgrauen Zeit eine besondere Aufgabe zugekommen. Sie hätte die Demokratie, parlamentarisches -, republikanisches - und rechtsstaatliches Denken wieder in den Köpfen und Herzen der Menschen verankern müssen. Das ist vielleicht die schwerste Hypothek, die Biedenkopf hinterlässt. Im Freistaat wurden mehr als ein Jahrzehnt lang Demokratie und Rechtsstaat mit einer anderen Elle gemessen.
Demokratischer Streit: verpönt bei Wählern und Genossen. Rechtsstaatliche Kontrolle: vereitelt durch den vorauseilenden Gehorsam von Staatsdienern, die im Filz von Justiz und Verwaltung um ihr Oberleben ringen. Das ist nicht die Demokratie, die die Menschen in Sachsen auf der Straße erkämpft und deren Regierungsverantwortung sie seit Herbst 1990 allein an die CDU übertragen hatten. Doch statt einer besonderen Sensibilität im Umgang mit der neuen Macht etablierte die Regierung Biedenkopf einen Stil, der jeder Demokratie spottet.
Das ist der Kern des Problems. In alle Ecken des Landes hat sich ein schwarzer Schleier gelegt. Im Windschatten Biedenkopfs hat die CDU alle Ämter im Land besetzt, bis hinein in manche Medien. Das Parlament als Kontrollorgan wurde ausgeschaltet. Die Oppositionsparteien haben keine Chance, gehört zu werden. Jede ihrer Ideen wird mit der Arroganz der Macht abgebügelt, auch wenn es häufig so ist, dass SPD-Anträge mit neuem CDU-Logo ein halbes Jahr später im Landtag wieder auftauchen.
Die CDU-Fraktion - ein Abnickverein. Es wurde gemacht, was Biedenkopf wollte. Sachsen war Kurt Biedenkopf und Kurt Biedenkopf war die CDU. Gegenüber dem heutigen Sachsen ist Bayern ein Hort des Liberalismus. Und die Opposition - lange Zeit zwischen Fatalismus und Harmonieverirrung verfangen.
Den Sinn von Parlamentarismus - aushandeln, austarieren verschiedene Interessen an einen Tisch bringen. Kompromisse finden, Macht kontrollieren - führt ein solcher Regierungsstil ad absurdum. Vom sogenannten „kritischen Geist“ Kurt Biedenkopfs war in Sachsen in der Praxis nie etwas zu sehen. Letztlich löste Biedenkopf nicht die Probleme, sondern er war das Problem.
Gerechterweise muss man fragen, was wäre er ohne seine höfischen Untertanen, seine dankbare Partei, seine treu ergebenen Wähler, seine devoten Kanzeltauben und seine untertänigen Kabinettsdiener geworden ? - Nichts !
Heute wissen wir, selbst von Biedenkopfs Querdenkeranspruch ist nichts übrig geblieben. Klein steht er da, ohne seine IQ-Hilfe Meinhard Miegel und ohne seine dienstbaren Berater - Biko - ein sich selbst auslöschender Stern.
Ob sein Nachfolger mehr Sensibilität mit der Wahrheit, mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, mit Straf- und Steuerrecht zeigen wird, werden wir sehen.
(Kommentar Karl Nolle)