Lausitzer Rundschau, 11.06.2002
Provinzskandal erreicht Dresden
SPD-Abgeordneter vermutet "Amigo-Affäre"
Karl Nolle (SPD) ist wieder da. Der rührige SPD-Abgeordnete hatte einst mit seinen Attacken Sachsens früherem Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) das Leben schwer gemacht. Morgen wird Regierungschef Georg Milbradt (CDU) mit seiner Aussage voraussichtlich die Zeugenvernehmungen im Paunsdorf-Untersuchungsausschuss abschließen, eines der Hauptbetätigungsfelder Nolles in den zurückliegenden Monaten. Doch Nolle hat einen neuen Fall und geht wieder in die Offensive. Wieder ist die Rede von einer "Amigo-Affäre" der sächsischen CDU. Der Angriffs richtet sich diesmal vor allem auf Innenstaatssekretär Albrecht Buttolo (CDU).
Die geradezu unglaubliche Provinzposse spielt in Penig, einer Kleinstadt in Westsachsen. Dort hatte der Bauunternehmer Heribert Kempen aus Gailingen am Bodensee, der größte Arbeitgeber im Ort, von der Stadt ein altes Bauerngehöft erworben, das er zu einer Eigentumswohnanlage ausbauen wollte.
Zufahrt wurde zum Problem
Zum Problem wurde, dass die Zufahrt zur Wohnanlage nur über ein Nachbargrundstück möglich war. Die Stadtverwaltung besorgte Kempen das nötige Wegerecht. Allerdings war die Zufahrt wohl etwas knapp bemessen. Nicht einmal ein Pkw soll durch die Passage gepasst haben, es ging nur um wenige Zentimeter.
Doch die Eigentümer des Nachbargrundstückes und die Stadtverwaltung unter ihrem Bürgermeister Thomas Eulenberger (CDU) waren offensichtlich zu keinen Zugeständnissen bereit, und so platzte nicht nur das Bauprojekt. Die Banken zogen wegen der Unsicherheit ihre Finanzierungszusagen auch für andere Bauvorhaben Kempens zurück, in der Folge schlitterte seine ganze Baufirma in die Pleite. Der Unternehmer macht jetzt einen Schaden von rund 60 Millionen Euro geltend.
Scharfe Vorwürfe an Behörden
Der Fall hat längst den Landtag und die Staatsregierung erreicht. Kempen beschuldigt die Rechtsaufsichtsbehörden, durch Untätigkeit seinen Bankrott mitverschuldet zu haben - den Landrat von Mittweida, Andreas Schramm (CDU), den Chemnitzer Regierungspräsidenten Karl Noltze und Innenstaatssekretär Albrecht Buttolo (CDU). Mit von der Partie ist der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Landtag, Klaus Leroff, der hinter den Kulissen vergeblich um Vermittlung bemüht war. Seit Monaten beschäftigt sich der Petitionsausschuss des Landtages mit der Aufklärung. Doch die Akten, die aus dem Landratsamt Mittweida bislang nach Dresden gelangten, sind offensichtlich lückenhaft, eine vollständige Rekonstruktion des Vorganges ist bislang nicht möglich.
Nolle nun sieht in dem Vorgang eine "Allianz aus CDU-Politikern", die sich unprofessionell verhalten habe. Er wirft den Behörden Untätigkeit und Vertuschung vor. In einer Anfrage will er nun wissen, ob Akten bereinigt wurden, ob der Staatssekretär den Ausschuss bewusst belogen habe oder selbst belogen wurde, ob es Anweisungen zur Rechtsbeugung aus der Staatskanzlei gab und ob Ministerpräsident Georg Milbradt, Innenminister Horst Rasch (CDU) und CDU-Generalsekretär Hermann Winkler über die Vorgänge seit Wochen informiert seien, ohne das etwas geschehen ist. Für Nolle steht fest, durch Verantwortungslosigkeit und Inkompetenz einer Parteienallianz von CDU-Amigos sei ein Investor billigend in den Ruin getrieben worden.
von ralf hübner