Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 25.11.2000

+++Sebnitz, eine Stadt im Ausnahmezustand

Morddrohungen gegen Mutter Courage
 
SEBNITZ. Bobendrohungen, rechter Aufmarsch und ein einschwebender Ministerpräsident: In Sebnitz herrschte gestern Ausnahmezustand. Ganz Deutschland (und die halbe Welt) hatte die Stadt der Weggucker (?) im Visier.
Wie eine Faust aus Blei druckt der vermeintliche Mord am kleinen Joseph (6) aufs Gemüt der Seidenblumen-Stadt. Am Donnerstag wurde bekannt, dass der als Badeunfall zu den Akten gelegte Tod des Jungen – Joseph ertrank 1997 im Sebnitzer Petzold-Bad – neu aufgerollt wird. Grund: Josephs Mutter Renate Kantelberg-Abdulla (48) hatte 15 Zeugen gefunden, die die Tat als Werk von 50 Neonazis beschrieben. Etwa 300 Badegäste hätten die Hilferufe des Jungen nicht gehört – oder nicht hören wollen. Bei der damaligen Ermittlung sei zudem geschlampt worden.
Viele Sebnitzer wollen die neuen Vorwürfe nicht glauben. „Kann nicht sein“, heißt es immer wieder. Doch in Sebnitz scheint allerhand möglich zu sein. Gestern morgen, 8.45 Uhr: Im Broilerwagen auf dem Sebnitzer Markt drehten sich schon die ersten Hühner, als ein Polizeiwagen mit Blaulicht um die Ecke biegt. Bombenalarm im Rathaus.
Wenig später Entwarnung durch Bürgermeister Miki Ruckh (36, CDU): „Alles o.k.“
Viele der Fernsehteams, die sich in Sebnitzer Hotels einquartiert hatten, schliefen zu diesem Zeitpunkt noch. Bis tief in die Nacht hatten sie live aus der „Weggucker-Stadt“ Sebnitz berichtet. Darunter auch Sender aus Italien, Belgien, den USA.
Bei der Familie des Opfers war die Nacht noch kürzer: Stern TV, Hans Meiser und Co. Probierten ab frühen Morgen ihr Glück. Josephs Vater Saad Abdulla, noch sichtbar müde: „Gestern nacht haben 30 Rechtsradikale vor dem Haus randaliert.“ Morddrohungen gegen ihn und seine Frau seien ausgesprochen worden: „Dich mache ich als nächste fertig mit einem Messer im Bauch!“ Wegziehen wollen sie trotzdem nicht. Saad Abdulla: „Geht nicht. Ein Kredit für die Apotheke läuft, wir sind hochverschuldet.“ Tochter Diana (15) tapfer: „Wovor soll ich mich fürchten?“
11 Uhr Pressekonferenz im Rathaus. Bürgermeister Ruckh drückt sein Bedauern aus, redet von einer geplanten Lichterkette (3. Dezember auf dem Sebnitzer Markt). Dann, am Nachmittag fliegt Biedenkopf ein, redet erst mit Ruckh und später mit Josephs Vater. Der erklärt später: „Biedenkopf hat Verständnis gezeigt, versprochen, dass aufgeklärt wird.“ Unterdessen lässt Sachsen SPD-Abgeordneter Karl Nolle Attacken gegen Biedenkopf los, spricht von einer „nationalsozialistischen Familientradition“ des Ministerpräsidenten und seiner Frau Ingrid. (von Markus Griese)

Kommentar:
Ich verweise auf die AP-Agenturmeldung vom 24.11.00, 18:18 Uhr, in der mein Life-Interview mit Nachrichtenradio MDR info (vom 24.11.00 12:03 Uhr) richtig, wenn auch verkürzt, wiedergegeben wird, sowie auf den Mitschnitt des Interviews vom 24.11.00 hier auf der Homepage.
KARL NOLLE

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