Karl Nolle, MdL

Pressemitteilung, 12.11.2001

Strafanzeigen wegen Verdachts der Untreue gegen MP Biedenkopf und Finanzminister de Maiziére.

Karl Nolle: Regierungskriminalität und Täuschung der Öffentlichkeit in Sachen Schevenstrasse, Dienstwohnung, Dienstboten und Dienstwagen. Strafanzeige gegen einen weiteren Minister noch diese Woche.
 
Schaden zum Nachteil Sachsens in Höhe von ca. 150.000 DM!

Wie bereits angekündigt, hat der Sächsische SPD Abgeordnete Karl Nolle heute beim Leitenden Oberstaatsanwalt Dr. Drecoll Strafanzeige gegen Ministerpräsident Biedenkopf und Finanzminister de Maiziére wegen Verdachts der Untreue und anderer Delikte zum Nachteil des Freistaates gestellt.

Dazu erklärt Nolle: „Die Strafanzeige ergeben sich erstens aus der mit einer bewußten Täuschung der Öffentlichkeit verbundenen, bis heute nicht übergebenen Dienstwohnung Schevenstraße und den nicht gezahlten Mieterhöhungen von monatlich ca. 700,00 DM vom 1.6.01 bis zur Wohnungsübergabe. Biedenkopf hat nur ca. 1800 DM weiter bezahlt und nicht wie öffentlich am 30.5.01 durch de Maiziére erklärt ca. 2500 DM. Außerdem war er der Meinung ohne erfolgen Auszug und ohne Wohnungsübergabe die Miete von ca. 1800 DM zusätzlich auch noch kürzen zu können, was er getan hat.

Zweitens bezieht sich die Strafanzeige auf den vom Finanzminister gewährten Rabatt in Höhe von 66.000 DM für Bikos Nutzung von Dienstboten in der Schevenstraße. Er hatte tatsächlich nur 98.000 DM gezahlt. Das Finanzministerium selber hatte jedoch der Öffentlichkeit am 30.5.01 einen errechneten Betrag von 163.331 DM mitgeteilt. (Wobei nur von einer halben Arbeitskraft ausgegangen wurde, obwohl im Brüggenbericht von ca 7,7 Arbeitskräften im Mittel gesprochen wurde.)

Drittens hat sich nach meinen Informationen Biko geweigert den Rabatt von ungerechtfertigten 66.000 DM, eine geldwerte Leistung des Freistaates ohne Rechtsgrundlage, zu versteuern. Daraufhin hat de Maiziére die Versteuerung der 66.000 DM, die eine Zahlast von ca. 30.000 DM ergeben übernommen. Daraus ergibt sich jedoch eine vom Freistaat zu zahlende Steuer von ca. 75.000 DM da die jeweilige nicht von Biko gezahlte Steuerlast wiederum als geldwerter Vorteil zu werten ist und sich so durch mehrfache Kumulation ca. 75.000 DM ergeben. Dies alles zu Lasten des Freistaates ohne Rechtsgrundlage.“

Nolle erklärt: „Der Gesamtschaden aus nicht gezahlten Mieterhöhungen, ungerechtfertigten Rabatt und von Biko nicht gezahlten Steuern beläuft sich auf ca. 150.000 DM zu Lasten des Freistaates.



gez. KARL NOLLE, MdL – 0173-9219870

Angang - Brief und Strafanzeigen. Die in der Strafanzeige als Anhang aufgelisteten Dokumente senden wir der Presse auf Wunsch per Fax zu !!!!

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Karl Nolle, MdL
Wirtschaftssprecher der SPD Fraktion,
Mitglied des Wirtschaftsausschusses,
Stellvertr. Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses
des Sächsischen Landtages
Bürgerbüro, Bärensteiner Str. 30, 01277 Dresden
Tel. 0173-9219870



vorab per Fax 0351-4462070

An die
Staatsanwaltschaft Dresden
z.Hd. Herrn LOStA Dr.Drecoll
Gutenbergstraße 5

01307 Dresden




Dresden, den 12.11.2001


Betr.: Regierungskriminalität im Freistaat Sachsen
Anl.: - Strafanzeige nebst weiteren, dort bezeichneten Anlagen
- Pressemitteilung vom ... (Falschaussage Biedenkopf)
- Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes vom 18. Oktober 2001, Az.: Vf. 29-I-01


Sehr geehrter Herr Dr. Drecoll,

mit anliegender Strafanzeige unterbreite ich Ihnen zwei Sachverhalte zur Prüfung. Zum einen geht es um den Verdacht der Untreue im Zusammenhang mit den angekündigten, aber unterbliebenen Neuregelungen des Mietverhältnisses des Ministerpräsidenten in der Schevenstraße 1 in Dresden. Beweise sind hier bereits in schriftlicher Form vorhanden. Zum anderen teile ich einen Sachverhalt mit, der mir zugetragen worden ist. Schriftliche Beweise habe ich hier nur am Rande.

Gestatten sie mir einige erläuternde Ausführungen. Bisher habe ich mich in den unzähligen Affären des noch amtierenden Ministerpräsidenten erst an zwei Strafanzeigen beteiligt. Die erste war die Anzeige von Herrn Rechtsanwalt Michael Sturm wegen Steuerhinterziehung, welche ich öffentlich mit vorgestellt und unterstützt habe. Die zweite war meine Strafanzeige wegen Untreue gegen den Ministerpräsidenten und den nicht mehr amtierenden Innenminister Eggert in Bezug auf die m.E. rechtswidrige Bewachung des Privathauses des Ministerpräsidenten durch Sächsische Polizisten in Bayern. Beide Verfahren sind bisher nicht eingestellt, jedenfalls haben weder Herr Sturm noch ich eine Einstellungsmitteilung erhalten, wie es die Vorschriften verlangen würden, wenn die Verfahren eingestellt wären. Dem entnehme ich die Bestätigung, dass die Anzeigen (die ja immer nur den Verdacht strafbaren Verhaltens beschreiben können, alles andere ist den Gerichten vorbehalten) stets eine von Ihrer Behörde anerkannte Berechtigung haben. Ich mache mir da nichts vor: Hätten Herr Sturm und ich nicht völlig zu Recht den bestehenden Verdacht aufgezeigt, dann hätte die Staatsanwaltschaft pflichtgemäß und unverzüglich entschieden, dass Ermittlungen nicht aufzunehmen oder einzustellen sind. Die bis in die Staatsregierung selbst hineinreichende Fachaufsicht durch Generalstaatsanwalt und Justizministerium hätten im Übrigen auch dafür gesorgt, da bin ich mir sicher.

Es wundert mich nicht, dass Sie beide Anzeigen nicht abtun. Denn ich knüpfe eigene Anzeigen oder auch die Unterstützung fremder Anzeigen immer an strenge Voraussetzungen. Ich verlange stets, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte konkrete Handlungen konkreten Personen in Form eines Verdachtes zur Last gelegt werden müssen. Und zweitens verlange ich von meinen juristischen Beratern, dass sie mir die Sachverhalte und die rechtliche Würdigung so klar und deutlich erklären können, dass auch mir als juristischem Laien der erhobene Vorwurf verständlich ist und in der konkreten Situation als gerechtfertigt erscheint.

Dementsprechend habe ich manche Anzeige nicht gestellt, obwohl ich dazu gedrängt worden bin:

- Ich habe bisher keine Anzeige wegen Untreue in Bezug auf die haarsträubenden Schevenstraßen-Verhältnisse gestellt. Ganz einfach deshalb, weil mir nicht genügend bekannt ist, wer was wann veranlasst hat. Und wie der Ministerpräsident in diese Verhältnisse möglicherweise hineingeschlittert ist in den „wilden“ Anfangsjahren, so ist alleine deshalb nicht unbedingt strafbares Verhalten (wenn auch in jedem Falle grobes politisches Fehlverhalten) gegeben. Ich habe andererseits mit Zufriedenheit vernommen, dass Ihre Behörde diesen konkreten Verantwortlichkeiten nachgeht und gehe davon aus, dass sie das derzeit noch in einem Verfahren gegen „unbekannt“ tut. Mir jedenfalls waren die Verhältnisse zu ungeklärt, um eine Strafanzeige zu stellen.
- Ich habe entgegen dem Drängen von CDU-Mitgliedern, die zudem auch noch in dem Ruf stehen, keine schlechten Juristen zu sein, keine Anzeige gegen den Ministerpräsidenten wegen Falschaussage vor dem Paunsdorf-Untersuchungsausschuss gestellt. Zwar spricht viel dafür, dass der Ministerpräsident hier unwahre Tatsachendarstellungen gegeben hat, doch habe ich mir bei allem Zorn, den ich darüber empfand, erklären lassen, dass er sich als Betroffener eines Untersuchungsausschussverfahrens nicht wegen uneidlicher Falschaussage strafbar machen kann. Also habe ich von einer Strafanzeige abgesehen. Im Einzelnen verweise ich auf meine Pressemitteilung vom ..., die ich beigefügt habe.

Wenn ich nun also doch eine Schevenstraßen-Anzeige mache, dann deshalb, weil hier eine neue Qualität erreicht ist, weil der Ministerpräsident sich in voller Kenntnis der Rechtswidrigkeit ungerechtfertigte Vorteile zuschanzt. Dabei geht insgesamt nicht mehr um weltbewegende Beträge, aber der Vorgang ist durch die Bewusstheit der Rechtswidrigkeit von neuer Qualität. Aber auch für die bisherigen Verhältnisse hat sich ein so großes Missverhältnis von Aufwand und Ertrag des Freistaates für die Liegenschaft herausgestellt, dass es schwer fällt, den Beteiligten hier Gutgläubigkeit abzunehmen. Übrigens war der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hier auch offenbar so weit im Zweifel, dass er nicht die Glaubhaftigkeit der Aussagen von Mitgliedern der Staatsregierung zu diesem Problemkreis, sondern die (persönliche, vgl. § 68 S. 3 StPO, § 395 Abs. 2 S. 2 ZPO) Glaubwürdigkeit des Ministerpräsidenten und des Chefs der Staatskanzlei in Frage gestellt sah. Ich habe jedenfalls keinen Grund zu der Annahme, dass der Verfassungsgerichtshof, dessen Entscheidung ich zu Ihrer Information beifüge, in diesem Punkte nicht ganz exakt und präzise nach der rechtlichen Bedeutung dieser Begriffe formuliert haben könnte.

Ich will aber ganz offen meine Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen, dass immer wieder Zweifel geäußert werden, Ihre Behörde leite Ermittlungsverfahren in der gebotenen Zügigkeit ein. Meine Strafanzeige (Untreue, Chiemsee) datiert von Mitte Juni 2001. Es ist jetzt Anfang November, und Ihre Behörde ist anscheinend immer noch damit beschäftigt, den Anfangsverdacht zu prüfen, weil bisher von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nichts zu hören war, andererseits, wie bereits ausgeführt, auch nicht von einer Einstellung. Angesichts der Bedeutung der Sache gerät eine solche Frist durchaus in die Nähe der Unangemessenheit. Entweder es besteht ein Verdacht, also die konkrete Möglichkeit strafbaren Verhaltens, dann ist ein Ermittlungsverfahren einzuleiten; oder es besteht kein Verdacht, dann ist das staatsanwaltliche Verfahren einzustellen und der Anzeigeerstatter hiervon zu benachrichtigen. Wenn aber mehrere Monate lang ermittelt wird, dann ist nach meinem laienhaften, wenn auch fachlich beratenen Verständnis ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dann muss die Staatsanwaltschaft aber alle Rechte der Beschuldigten wahren, hier z.B. die Immunitätsrechte. Möglicherweise liegt es gar nicht so fern, hier eine politische Einflussnahme zu befürchten; es wäre nach den bisherigen Erkenntnissen, eine parlamentarische Untersuchung käme hier durchaus auch einmal in Betracht, auch nicht die einzige Entscheidung, bei der nicht nur strafrechtliche Erwägungen im engeren Sinne eine Rolle gespielt hätten.

Sie sind sicherlich nicht hier, um es sich auf den Prachtstraßen Dresdens gut gehen zu lassen, sondern um den Rechtsstaat in Sachsen voranzubringen, nachdem er von den Bürgern erkämpft worden ist. Diese Bürger wollten keine parteiliche Staatsanwaltschaft und Justiz, und, da bin ich mir sicher, Sie wollen solche Verhältnisse auch nicht.


Mit freundlichen Grüßen

Karl Nolle, MdL


Anlagen:

Pressemitteilung Karl Nolle vom 06.06.01
Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 18.10.01

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Karl Nolle, MdL
Wirtschaftssprecher der SPD Fraktion,
Mitglied des Wirtschaftsausschusses,
Stellvertr. Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses
des Sächsischen Landtages
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vorab per Fax 0351-4462070

An die
Staatsanwaltschaft Dresden
z.Hd. Herrn LOStA Dr.Drecoll
Gutenbergstraße 5

01307 Dresden



Dresden, den 12.11.2001


Strafanzeige gegen

 Herrn Ministerpräsidenten Prof. Dr. Kurt Biedenkopf und
 Herrn Staatsminister der Finanzen Dr. Thomas de Maizière

wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil des Freistaates Sachsen und aller weiteren in Betracht kommenden Delikte.


Sehr geehrte Damen und Herren,

mit nachstehenden tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen erstatte ich Strafanzeige gegen Herrn Ministerpräsidenten Prof. Dr. Kurt Biedenkopf und Herrn Staatsminister der Finanzen Dr. Thomas de Maizière wegen des Verdachts der Untreue zu Lasten des Freistaates Sachsen und aller weiteren in Betracht kommenden Delikte.


(I.)

Der erste Vorgang betrifft die gemeinschaftliche Verhinderung von angemessenen Mietzahlungen des Ministerpräsidenten ab dem 1. Juni 2001.

1. Dem Ministerpräsidenten wie dem Finanzminister war spätestens Ende Mai 2001 bekannt, dass die Miete des Ministerpräsidenten für seine Wohnung in Dresden, Schevenstraße 1, unter Verstoß gegen § 52 S. 1 SächsHO

„Nutzungen und Sachbezüge dürfen Angehörigen des öffentlichen Dienstes nur gegen angemessenes Entgelt gewährt werden, soweit nicht durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Tarifvertrag oder im Haushaltsplan etwas anderes bestimmt ist“

unangemessen niedrig war. Sie betrug einschließlich Betriebskosten 1.857,03 DM monatlich.

Der Sächsische Rechnungshof hatte dies im Mai 2001 beanstandet: S. 23 des Berichtes vom Mai 2001, Nr. 32 00 03/114:

„Insgesamt kann somit keine Rede davon sein, dass die Konditionen des Nutzungsüberlassungsvertrages mit dem Ministerpräsidenten marktüblich seien, wie das SMF meint.“

Danach errechnete das SMF für Hauptwohnung und Betriebskosten eine Monatsmiete von 1.940,95 DM, aus der sich nach Addition von Pauschalen für Gemeinschaftseinrichtungen, Wohnnebenflächen und Inventar eine Gesamtmiete von 2.575,71 DM ergab. Diese Zahlen wurden am 30. Mai 2001 vorgestellt

(Pressemitteilung Nr. 53/2001 des SMF vom 30. Mai 2001)

und dem Landtag noch am 15. Juni 2001 so übersandt.

(Anlage zum Protokoll der 22. Sitzung des HFA)

Ein entsprechender Mietvertrag wurde dem Ministerpräsidenten mit Schreiben des Finanzministers vom 29. Mai 2001 angeboten. Der Ministerpräsident nahm dieses Angebot jedoch nicht an, sondern schloss mit dem Staatsministerium der Finanzen einen Aufhebungsvertrag, der ihm die weitere Nutzung der Wohnung bis mindestens zum 30. September 2001 zu den alten Bedingungen erlaubte.

(Antwort auf die Kleine Anfrage LT-Drucks. 3/4864 vom 23. Oktober 2001)

Er hat auch, abgesehen von einer Abweichung zu seinen Gunsten bei den Betriebskosten, den unveränderten Mietzins gezahlt.

(Antwort auf die Kleine Anfrage LT-Drucks. 3/4866 vom 23. Oktober 2001)


2. Diese Fakten begründen den Tatverdacht der gemeinschaftlich begangenen Untreue zu Lasten des Freistaates Sachsen.

Wegen Untreue wird bestraft, wer die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt, und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB).

a) Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne dieser Vorschrift besteht für beide Amtsträger aufgrund ihrer Ämter als Ministerpräsident und Finanzminister.

b) Sie haben diese Pflicht auch verletzt, als sie den Mietvertrag ab dem 1. Juni 2001 nicht zumindest zu den vom SMF als angemessen errechneten Bedingungen fortgesetzt haben.

Ob eine Pflichtverletzung auch schon früher vorlag, wofür manches spricht, untersucht meines Wissens schon die Staatsanwaltschaft gegen „unbekannt“. Hier soll nur der deutliche und schwere Verdacht artikuliert werden.

aa) Die Pflicht zur Umsetzung angemessener Mieten ergab sich für beide Amtsträger aus § 52 S. 1 SächsHO. Es ist anerkannt, dass auch die Pflichtverletzungen von öffentlichen Amtsträgern als Untreue strafbar sein können.

Der Ministerpräsidenten hat diese Pflicht verletzt, als er ohne Not den ihm angebotenen Mietvertrag nicht annahm. Mit einem Federstrich hätte er die Miete auf die Höhe anpassen können, die sein eigener Finanzminister als angemessen ausgerechnet hatte.

bb) Dem steht auch nicht entgegen, dass am 6. Juni 2001 der Entschluss gefallen sein soll, den Wohnsitz Schevenstraße aufzugeben.

Antwort auf die Kleine Anfrage LT-Drucks. 3/4864: „Auf Grund der ... Entscheidung des Ministerpräsidenten vom 06.06.2001 ... den Wohnsitz im Gästehaus der Staatsregierung aufzugeben, wurde ... ein Aufhebungsvertrag geschlossen ...“ und eben kein geänderter Mietvertrag. Eigenartig ist allerdings, dass noch am 15. Juni 2001 die Zahlen des geänderten Mietvertrages dem Landtag mitgeteilt wurden.

Denn wie die Bereitschaft des SMF bestand, dem Ministerpräsidenten bei der restlichen Gestaltung des Mietverhältnisses entgegenzukommen, so konnte auch die Bereitschaft erwartet werden, dieselbe Vereinbarung über die auslaufende Nutzung der Schevenstraße zu einem für den Freistaat günstigeren (nämlich gesetzmäßigen) Mietzins abzuschließen.

cc) Eine besonders kühne Rechtfertigung der Beibehaltung des alten Mietzinses deutet sich in der Formulierung der Antwort auf die Kleine Anfrage LT-Drucks. 3/4864 an:

„Eine vorzeitige Beendigung zum 31.07.2001 hätte eine Nicht-Beitreibung der Miete für August und September 2001 bedeutet und wäre somit ein Vertrag zu Lasten des Freistaates gewesen, was aufgrund des § 58 Abs. 1 Nr. 1 SäH0 grundsätzlich nicht statthaft ist.“

Mit dieser etwas kryptischen Formulierung ist offenbar gemeint, der Freistaat solle lieber bis zum Ende der Kündigungsfrist die zu geringe Miete kassieren, als bis zum (damals voraussichtlichen?) Ende der Wohnnutzung eine angemessene Miete einzunehmen. Das vernachlässigt aber, dass Ministerpräsident und Finanzminister aufgrund ihrer Amtsstellung an § 52 S. 1 SäHO gebunden waren und damit für die gesamte restliche Laufzeit des Mietvertrages angemessene Mieten herbeizuführen hatten.

dd) Die Pflichtverletzung des Finanzministers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Ministerpräsident auf seiner Kündigungsfrist bestand.

So aber der Finanzminister in der Antwort auf die Kleine Anfrage LT-Drucks. 3/4864: „Der Abschluss eines neuen Mietvertrages ... war... nicht möglich, da der alte Mietvertrag bei Kündigung zum 30.06.2001 erst zum 30.09.2001 ausläuft.“

Der Finanzminister hätte zum Einen den Ministerpräsidenten nur an seinem Verzicht auf die (Änderungs-) Kündigungsfrist festhalten müssen. Er hat diesen Verzicht selbst öffentlich gemacht:

Schreiben vom 29. Mai 2001: „Da Sie, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein, auf die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen verzichtet haben, kann eine Anpassung des Vertrages mit Wirkung zum l. Juni 2001 erfolgen...“

Ohne erkennbare rechtliche Notwendigkeit ließ der Finanzminister dem Ministerpräsidenten im Nachsatz ein Schlupfloch

„sofern Sie nach Prüfung der Einzelheiten mit dem geänderten Vertragsentwurf einverstanden sind.“,

indem er nicht auf den Verzicht einging, sondern die Wirkung des Verzichts von einer erneuten Erklärung des Ministerpräsidenten abhängig machte, zu der dieser nicht mehr bereit war.

Zum Zweiten war angesichts dessen, dass es um eine reine Anpassung des Mietzinses ging,

auch der Finanzminister spricht von Anpassung des Vertrages, nicht von einem neuen Vertrag,

der Ministerpräsident in der haushaltsrechtlichen Pflicht war, für eine angemessene Miete zu sorgen, und dass öffentlich und vor dem Landtag die Zahlung der erhöhten Miete angekündigt worden war, eine Berufung auf Kündigungsfristen treuwidrig, sittenwidrig, nichtig und somit unbeachtlich.

Das wussten die beteiligten Kabinettsmitglieder genau. Denn nur so erklärt sich die Täuschung der Öffentlichkeit über die „schmutzigen Tricks“ (wohl ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik), mit denen der Eindruck erweckt wurde, der Ministerpräsident werden (endlich) eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Miete zahlen. Was derzeit bekannt ist, lässt auf ein kollusives Zusammenwirken der beiden obersten Verantwortlichen für Sachsens Staatsfinanzen schließen.

Im Schreiben vom 30. Juni 2001 erweckte der Finanzminister den Eindruck, der Ministerpräsident habe bereits den Änderungen zugestimmt, es gehe allenfalls noch um die Prüfung von „Einzelheiten“. Einzelheiten sind nicht die wesentlichen Inhalte eines Vertrages; allenfalls formales Beiwerk, auf das es im Ergebnis nicht ankommt, kann als „Einzelheiten“ bezeichnet werden. Erst recht, wenn der maßgebliche Verzicht auf die Kündigungsfristen mit dem Wort „haben“ als etwas im wahrsten Sinne des Wortes perfektes, nämlich geschehenes mitgeteilt wird. So war denn auch die öffentliche Rede des Finanzministers eindeutig:

„Es wird einen neuen Mietvertrag geben. Der neue Mietvertrag wird mit Wirkung vom 01. Juni abgeschlossen. Die Kaltmiete erhöht sich von 8,15 DM auf 12,23 DM. Zu der Kaltmiete kommt eine Betriebskostenpauschale hinzu. Die betrug bisher 3,80 DM. Sie wird angepasst.“ (MDR 1 Radio Sachsen, 13.15 h, 01.11.2001, erneut gesendeter O-Ton des Finanzministers vom 30. Mai 2001).

Auch die Presseerklärung des SMF ließ Zweifel an der Umsetzung der Neuregelung nicht aufkommen:

„Neuregelungen und Nachzahlung für das Gästehaus der Staatsregierung
Schevenstraße"

Der Sächsische Staatsminister der Finanzen Dr. Thomas de Maizière hat heute in einem Brief an Herrn Ministerpräsidenten Prof. Dr. Biedenkopf Neuregelungen für das Mietverhältnis in der Schevenstraße in Dresden der Staatsregierung mitgeteilt. Der Brief ist als Anlage beigefügt.

Die monatliche Kaltmiete beträgt aufgrund eines neuen Mietvertrages mit dem
Ministerpräsidenten ab dem 1. Juni 2001 1901,27 DM. Dies entspricht einem
Quadratmeterpreis von 12,23 DM. Darin enthalten sind u. a. Pauschalen für die
Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Küche), für Instandsetzung und
Wohnnebenflächen. Hinzu kommt eine jährlich anzupassende Betriebskosten-
pauschale von 4,34 DM/qm, so dass sich eine Warmmiete in Höhe von 2.575,71 DM
ergibt.“

Selbst wenn man zu Gunsten beider Beschuldigter annimmt, sie hätte am 30. Mai 2001 noch die Anpassung des Vertrages an einen gesetzeskonformen Mietzins gewollt, so haben sie in der Folgezeit durch Schweigen über die Nichtumsetzung der geplanten Regelungen gezeigt, dass sie sich ihrer Untreuehandlung sehr wohl bewusst waren. Denn wenn sie ein reines Gewissen gehabt hätten, dann hätten sie die Öffentlichkeit über die wahren Mietregelungen ebenso offen informiert, wie eine Information am 30. Mai 2001 erfolgt war.

Mehr noch: Durch Schreiben vom 15. Juni 2001 teilte das SMF die angeblich neuen Zahlen des Mietverhältnisses dem Landtag mit. Angeblich war aber bereits am 6. Juni 2001 der Entschluss zum Auszug aus der Schevenstraße gefallen, der die Mietzinsanpassung angeblich obsolet machte.

Antwort auf die Kleine Anfrage LT-Drucks. 3/4864: „Auf Grund der ... Entscheidung des Ministerpräsidenten vom 06.06.2001 ... den Wohnsitz im Gästehaus der Staatsregierung aufzugeben, wurde ... ein Aufhebungsvertrag geschlossen ...“.

Hier drängt sich der Verdacht auf, dass im vollen Bewusstsein der Rechtswidrigkeit des Handelns von Finanzminister und Ministerpräsident gemeinschaftlich verschleiert werden sollte, wie der Mietzins auf der alten, die Vermögensbetreuungspflicht der Beteiligten verletzenden Höhe belassen werden sollte.

c) Der Schaden des Freistaates besteht in den entgangenen Mieteinnahmen.

d) Angesichts der öffentlichen Diskussion, der Verheimlichung des Vorganges durch erst auf Anfrage korrigierte Darstellungen eines angeblich neuen Mietverhältnisses, und der Kenntnis des Ministerpräsidenten und seines Finanzministers von der allgemein geteilten Bewertung des alten Mietzinses als zu niedrig besteht nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse auch erhebliche Anhaltspunkte für vorsätzliches Handeln.



(II.)

Der zweite Vorgang betrifft die Abwicklung der in der Vergangenheit gewährten ungesetzlichen Vorteile des Ministerpräsidenten im Zusammenhang mit der Wohnung in der Schevenstraße in Dresden.

1. Aufgrund von Hinweisen bisher stets gut in den Angelegenheiten der Staatsregierung informierten Personen, deren Identität ich nicht nenne, weil sie mir die Hinweise in Bezug auf meine Funktion als Mitglied des Sächsischen Landtages anvertraut haben (Zeugnisverweigerungsrecht gemäß Art. 56 SächsVerf), ist mir folgender Sachverhalt bekannt geworden:

Der Ministerpräsident soll im Zuge der in diesem Jahre zu Tage getretenen sogenannten Putzfrauenaffäre für die Inanspruchnahme von Sachbezügen in seiner Wohnung in der Schevenstraße in Dresden 122.808 DM (lt. Pressemitteilung der Staatskanzlei, verantwortlich Michael Sagurna vom 11.06.01) nachgezahlt haben. Dieser Betrag soll sich auf mehrere Jahre beziehen.

Davon seien 98.0000 DM (lt. Pressemitteilung der Staatskanzlei, verantwortlich Michael Sagurna vom 11.06.01) auf die Inanspruchnahme einer halben Dienstleistungskraft (lt. Tischvorlage des SMF zur Sitzung des HVA am 30.5.01 hier Vorlage der Staatskanzlei S.1 und 4, SK 11-300 Frau Referatsleiterin Liebsch), ebenfalls für mehrere Jahre, entfallen.

Diese 98.000 DM seien allerdings nur 60 % der errechneten anteiligen Personalkosten (Aufwendungen für eine halbe Kraft) laut einer Berechnung der Staatskanzlei (lt. Tischvorlage des SMF zur Sitzung des HVA am 30.5.01 hier Vorlage der Staatskanzlei S.3, SK 11 Frau Referatsleiterin Liebsch) der Gesamtbetrag für die Nachzahlungen Personalkosten betrage tatsächlich 163.331 DM (SK II Liebsch S. 3).

Somit sei dem Ministerpräsidenten die an sich gemäß § 52 S. 1 SäHO gebotene volle Bezahlung der von ihm in Anspruch genommenen Leistungen des Freistaates zu 40 % , d.h. ca. 66.000 DM erlassen worden. Dies sei damit begründet worden, dass der Ministerpräsident darauf habe vertrauen können, ihm würden die gewährten Sachbezüge zustehen. Verantwortlich für diesen Erlass sei der Finanzminister Dr. Thomas de Maizière gewesen.

2. Da der Ministerpräsident die Dienstleistungen voll in Anspruch genommen habe, ergebe sich aus dem nicht vergüteten Anteil der Dienstleistungen ein zu versteuernder geldwerter Vorteil von 66.000 DM. Die vom Ministerpräsidenten zu entrichtende Steuer daraus betrage ca. 30.000 DM.

Der Ministerpräsident habe aber eine Steuer(nach)zahlung allerdings kategorisch abgelehnt.

Daraufhin habe aufgrund einer Entscheidung von Herrn Staatsminister der Finanzen Dr. Thomas de Maizière der Freistaat Sachsen die Nachzahlung der Steuer übernommen.

Vgl. dazu auch die Antwort auf die Anfrage LT-Drucks. 3/4864 (Hervorhebungen von mir): „In welcher Höhe, wann und Rechtsgrund wurden für die gewährten Sachbezüge des MP Steuern durch den Freistaat nachgezahlt?“ Antwort: „Das SMF ... hat ... das Notwendige veranlasst. ... Die Höhe der vom Freistaat gezahlten Lohnsteuer kann aus diesem Grund nicht mitgeteilt werden.“ Das Ob der Nachzahlung wurde bei der Antwort also vorausgesetzt.

Aus 30.000 DM wurden 75.000 DM

Aus der Übernahme der ca. 30.000 DM Steuernachzahlung durch de Maiziére enstand jedoch erneut ein geldwerter Vorteil der mit ca. 15.000 DM zu versteuern ist. Aus der Übernahme dieser ca. 15.000 DM durch de Maiziére entstand erneut ein geldwerter Vorteil von ca. 7.500 DM der zu versteuern ist usw.
Die Gesamtzahlung von de Maiziére durch Übernahme der ursprünglichen Steuernachzahlung in Höhe von ca. 30.000 DM ergibt durch Kumulation der jeweiligen geldwerten Vorteile 30.000 + 15.000 + 7.500 + 3.750 usw. eine Gesamtzahllast von ca 75.000 DM !!! die nur dadurch entstand weil der MP nicht bereit war, die ursprünglichen ca. 30.000 DM Steuernachzahlung persönlich zu entrichten.

3. Dies begründet unter drei Gesichtspunkten den Verdacht der Untreue zum Nachteil des Freistaates Sachsen gegen Herrn Dr. de Maizière.

a) Eine Verletzung der Treuepflicht des Finanzministers könnte bereits darin liegen, dass nur die Inanspruchnahme einer halben Arbeitskraft dem privaten Bereich des Ministerpräsidenten zugerechnet wurde. Denn in der Schevenstraße waren nach Mitteilung der Staatsregierung 5,5 Beschäftigte (lt. Brüggenbericht Seite 74 waren im langjährigen Mittel 7,7 Beschäftigte tätig). Viele Indizien deuten darauf hin, dass das sogenannte Gästehaus nur aufrechterhalten wurde, um dem Ministerpräsidenten und seinen Familienangehörigen umfassenden Service auf Kosten des Freistaates zu ermöglichen. Dann wären erheblich höhere Sachbezüge anzusetzen.

Die vorrangig privatnützige Funktion des Gästehauses wird in einem ersten Indiz offenbar, wenn man bedenkt, dass bereits 1994 der Rechnungshof die Wirtschaftlichkeit dieser Einrichtung sehr kritisch betrachtet hat (Schreiben vom 6. Mai 1994 zitiert im Brüggenbericht S. 25). Veranlasst wurde damals nichts. Vielmehr hat der Freistaat sogar einen Rechtsstreit bis zum Bundesgerichtshof geführt, um sich im Besitz (nicht im Eigentum) der Immobilie zu halten (vgl. Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13. Dezember 1994, Az. 40-VV 8115-8/I3-70643, S. 2 unter 2.). Nach und nach zogen die meisten der nicht mit dem Ministerpräsidenten und seiner Ehefrau verwandten oder verschwägerten Bewohner aus. Das sogenannte Büro Ingrid Biedenkopf mit der geringen Bearbeitungstiefe der Vorgänge und der geringen Mitarbeiterzahl (vgl. Schreiben des Sächsischen Datenschutzbeauftragten an den Ministerpräsidenten vom 31. August 2001, Az. 0-0142.2/2) rechtfertigte die weitere Nutzung aus der Sicht eines vernünftigen Betrachters nicht. Das gilt auch für die in geringem Umfang erfolgen weiteren Nutzungen (vgl. Bericht des Sächsischen Rechnungshofes, Nr. 32 00 03/114). Die Vorhaltekosten ohne Personal der Staatskanzlei beziffert das SMF auf rund 1,6 Millionen DM seit 1.1.1995, wovon nur rund 0,14 Millionen durch Mieteinnahmen gedeckt wurden (Antwort auf meine Anfrage, LT-Drucks. 3/4864). Das Personal (zuletzt 5,5 Stellen!) war, wenn es nicht den Ministerpräsidenten und die anderen Bewohner des „Gästehauses“ bediente, vor dem Entschluss zur Aufgabe des „Gästehauses“ mit folgenden Arbeiten beschäftigt:

- Reinigungs- und Pflegearbeiten in Innen- und Aussenanlagen des 1.779,89 qm
umfassenden Gebäudes und der 8530 qm großen Liegenschaft
- Betreiben, Warten und Kontrolle der Heizungs- , Lüftungs- und Klimaanlagen
- Kleinreparaturen und Instandhaltung
- Führen der Handvorschusskasse für die Bewirtschaftung der Liegenschaft

Diese Aufstellung ist nicht einem Programm eines Kabaretts entnommen, sondern der Antwort von Herrn Staatsminister Georg Brüggen auf meine Kleine Anfrage LT-Drucks. 3/4865, wobei ich „Beschäftigungen“ im Zusammenhang mit der Aufgabe der Liegenschaft weggelassen habe. Meine Anfrage lautete diesbezüglich:

Was macht (Aufschlüsselung der jeweiligen Tätigkeiten nach wöchentlichem Stundenaufwand) das in der Schevenstraße 1, 01326 Dresden tätige Hauspersonal (5,5 Stellen), wenn es nicht insgesamt 20,5 Stunden in der Woche vom Minister-präsidenten genutzt wird (Mitteilung des Ministerpräsidenten vom 28. Mai 2001)?

Bei vernünftiger Betrachtung, die bei Herrn Dr. de Maizière anzunehmen ist, war klar, dass es die ganze Zeit darum ging, Herrn Ministerpräsidenten die Nutzungen der Arbeitskräfte zukommen zu lassen. Dann war das Ansetzen von lediglich einer halben Arbeitskraft angesichts der Zahl der eingesetzten Arbeitskräfte nicht mehr vertretbar.

b) Angesichts der Verantwortung des Ministerpräsidenten ist es darüber hinaus nur schwer vertretbar, möglicherweise aber auch bewusst rechtwidrig entschieden, dem Ministerpräsidenten 40% des zu zahlenden Entgeltes zu erlassen. Das möge die Staatsanwaltschaft prüfen und berücksichtigen.

c) Schließlich sehe ich den Verdacht der Untreue auch in der von CDU-Mitgliedern behaupteten Zahlung von Steuern für den Ministerpräsidenten. Denn da von gleichzeitigen Kürzungen der Bezüge des Ministerpräsidenten nicht die Rede ist (vgl. § 38 Abs. 4 S. 1 Alt. 2 EStG), bedeutet eine Begleichung von Steuerschulden des Ministerpräsidenten im Ergebnis eine Zahlung von Bezügen, die diesem nicht zusteht. Es fehlt an der besoldungsrechtlich zwingend erforderlichen Rechtsgrundlage der Zahlung. Damit hätte der Finanzminister von seiner Befugnis, den Freistaat zu verpflichten und zu Lasten des Freistaates Zahlungen zu veranlassen, in einer Weise Gebrauch gemacht, die seinen gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber dem Freistaat nicht entspricht. Das legt den Verdacht nahe, dass hier Untreue in Form des Missbrauchstatbestandes begangen wurde. Dieser wird dadurch erhärtet, dass die Staatsregierung auf meine kleine Anfrage LT-Drucks. 3/4864 nur sehr zurückhaltend antwortete:

"Frage 4. in welcher Höhe, wann und Rechtsgrund wurden für die gewährten Sachbezüge des MP Steuern durch den Freistaat Sachsen nachgezahlt?

Das SMF als für die Anstellungskörperschaft Freistaat Sachsen (Arbeitgeber) Handelnder hat das für die Einhaltung der Vorschriften über die Erhebung der Lohnsteuer Notwendige veranlasst. Die Besteuerungsmerkmale sind durch § 39 b Abs. 1 Satz 4 EStG geschützt und dürfen deshalb nicht offenbart werden. Die Höhe der vom Freistaat Sachsen gezahlten Lohnsteuer kann aus diesem Grund nicht mitgeteilt werden. (...)"

Hier fehlt in der Wiedergabe der gesetzlichen Vorschrift die entscheidende Einschränkung: Die Daten dürfen ohne Zustimmung des Arbeitnehmers, hier also des Ministerpräsidenten, nicht offenbart werden. Daraus ergibt sich meiner Auffassung nach der Verdacht, dass Steuern für den Ministerpräsidenten nachgezahlt wurden, und dass der Finanzminister genau weiß, hier etwas zu verbergen zu haben. Dem möge die Staatsanwaltschaft nachgehen.

4. Ebenso der Frage der Beteiligung des von den Handlungen des Finanzministers begünstigten Ministerpräsidenten.



Karl Nolle, MdL
Mitglied des Sächsischen Landtages


Anlagen:

Kleine Anfrage Nolle 3/4864, 23.10.01
Kleine Anfrage Nolle 3/4865, 23.10.01
Kleine Anfrage Nolle 3/4866, 23.10.01
Informations- und Beratungsmaterial HVA 15.06.01
Pressemitteilung der Staatskanzlei 11.06.01
Pressemitteilung SMF 30.05.01
Öffentliche Rede de Maiziére, MDR 1 Radio Sachsen 30.05.01
Tischvorlage SMF zur Sitzung des HVA am 30.5.01
Tischvorlage SK 11-300 Referatsleiterin Liebsch am 30.5.01
Schreiben de Maiziére 29.05.01
Pressemitteilung der Staatskanzlei 08.05.01
SMF 01.12.1997
SMF 04.07.1997
SMF 13.12.1994

Karl Nolle im Webseitentest
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