Karl Nolle, MdL

Dresden, Plenarsaal Sächsischer Landtag, 13.07.2000

Zur Sächsischen Energiepolitik

Die VEAG und der Atomausstieg
 
Das waren noch Zeiten, wo der Strom von sieben Königen dem untertänigen Volke zugeteilt wurde. Es waren goldene Zeiten für die Energiewirtschaft und schwere Zeiten für die Energiekonsumenten, insbesondere für die mit hohem Stromverbrauch. Als ganze Industriebranchen ins Ausland wanderten oder wenigstens damit drohten, fasste die Politik den logischen Entschluss, das altehrwürdige Energiewirtschaftsgesetz zu überarbeiten und diverse EU Richtlinien taten ihr übriges.

Den Verbrauchern geht es heute schon besser, den Energieunternehmen hingegen nicht mehr wie ehedem im Energieschlaraffenland. Die Freude der Konsumenten ist auch unsere Freude -und das Leiden der Energiewirtschaft hätte vermieden werden können. Kohl und Rexroth hätten wissen müssen, dass der stagnierende (teilweise sogar schrumpfende)Energiemarkt nie und nimmer nach dem Beispiel des boomenden Telekommunikationsmarktes liberalisiert werden kann und werden sollte.

Die damalige SPD-Bundestagsfraktion hat die Vorlage der seligen Kohl-Regierung seinerzeit mit aller Vehemenz bekämpft. Sie brachte einen eigenständigen Entwurf ein. Aber es nutzte nichts: Troja wollte nicht hören. Als Opposition im Sächsischen Landtag sind uns die langfristigen Verfallssymtome nämlich „chronische Beratungsresistenz und schleichender Realitätsverlust“ allzu lang regierender absoluten Mehrheiten bestens vertraut.

Diese Staatsregierung und die sie tragende Koalition aus Nachfolgern der Block - CDU und verblaßten Wenderebellen in diesem hohen Hause sind besonders schöne Ausprägungen dieser Spezies.

Meine Damen und Herren, unserem Staatsminister Schommer, in Sachen Wirtschaftsliberalität ein Schüler von Bakunin, war selbst der damalige CDU/FDP-Entwurf noch nicht wirtschaftsliberal genug.

Dabei war - etwas Phantasie und marktwirtschaftliche Analyse vorausgesetzt, durchaus absehbar, dass mit der Liberalisierung, auf die westdeutsche Energiewirtschaft eine Grippe,auf die im Osten jedoch eine schwere Lungenentzündung zukommt. Und in dem weitgehend sich selbst überlassenen Markt macht sich hierzulande eine weitere Erbkrankheit aus Kohl und CDU Volkskammer-Zeiten verhängnisvoll bemerkbar: Allen Warnungen zum Trotz wurde seinerzeit der Strommarkt in den fünf neuen Ländern mit Haut und Haar an das westdeutsche 7er-Energie-Kartell verscherbelt.

Vielleicht tauchen ja die Provisionen für die Aktion „eine Treuhand wäscht die andere“ irgendwann mal wieder auf.

Die Ostdeutsche Energiewirtschaft wurde, wie so vieles, zu einer verlängerten Werkbank, der man sich in guten Zeiten bedient und die man in schlechten Zeiten abschneidet, wie faules Fleisch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sah gar nicht gut aus - vor zwei Jahren, und wenn unsere Energiewirtschaft heute wieder „verhalten optimistisch“ in die Zukunft blicken kann, so hat dies im wesentlichen zwei Ursachen:

1. Durch die Auflagen, mit denen das Kartellamt die Grossfusionen von Energiekonzernen belegt hat, ergibt sich die Möglichkeit, den schwersten Geburtsfehler der VEAG nachträglich zu korrigieren.

Die SPD-Fraktion plädiert in diesem Zusammenhang für ein konsequentes Vorgehen: Wir sollten jetzt das unerwartete Glück am Schopfe packen und nicht auf dem halben Wege - bei einer Stabilisierung - stehen bleiben. Wir befürworten ein Entflechtungsmodell das darauf zielt, für die VEAG schnellstmöglich neue Gesellschafter zu finden. Besonders attraktiv fänden wir den Einstieg ausländischer Investoren.

Meine Damen und Herren, ich hatte bei der Einweihung unserer neuen supermodernen Kraftwerksperle in Lippendorf die Gelegenheit, mit unserem Bundeskanzler, Gerhard Schröder, ein paar Sätze zu wechseln und habe ihm dabei unsere Bitte mit auf den Weg gegeben, in den Gesprächen mit den jetzigen VEAG-Eignern darauf zu drängen, dass den potentiellen Neuinvestoren keine Steine in den Weg gelegt werden.

Schön wäre es auch, wenn sich sächsische Kommunen am neuen Stromriesen beteiligen würden. Leipzig, die Stadt der Strombörse, hat bereits Interesse bekundet. Ob das Dresden, mit ihrem Durchbeißer Wagner, schafft, werden wir sehen. Wie wäre es, in diesem Zusammenhang auch gleich darüber nachzudenken, den VEAG-Stammsitz von der Spree an die Pleiße zu verlegen?

2. Die große Hoffnung für unsere Energiewirtschaft ist die Politik der rot/grünen Bundesregierung.

Gestatten Sie mir eine Kurzanalyse: Über 50 % des Stromes werden in Deutschland aus Braun- oder Steinkohle gewonnen und innerhalb dieses dominierenden Pfeilers der Grundlastversorgung brauchen wir keine Konkurrenz zu fürchten.

In unseren mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlerevieren stehen die weltweit
modernsten Kraftwerksriesen. Mit einem Wirkungsgrad von über 40 Prozent (früher war es gerade die Hälfte) sind die Anlagen den meisten Kohlekraftwerken in den alten Bundesländern haushoch überlegen.

Angesichts der riesigen Kapazitäten ist auch nicht zu befürchten, dass irgendjemand in nächster Zeit auf die Idee kommt, in einem größeren Umfang Neubauten zu errichten.

Nach der Kohle bildet die Kernkraft mit ca. 30% den zweitgrößten Block bei der Stromerzeugung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Atomausstiegskonsenz der rotgrünen Bundesregierung mit den AKW-Betreibern ist ein wahrer Segen für unsere ostdeutschen Energieerzeuger!

Die Zukunftsaussichten der Braunkohleverstromung im Osten sind gut und werden noch besser, wenn die Kraftwerke in ca. vier Jahren ihre Abschreibungsprobleme überwunden haben werden.

Aber, meine Damen und Herren, die moderne Braunkohlenverstromung ist nicht das Nonplusultra, der entgültige Stein des Weisen in der Energiepolitik, sie ist aber wichtiger Teil eines Übergangsprozesses zu anderen, neuen, lebensfreundlicheren Energieformen.

Deshalb ist der Atomausstieg im Bund ein Segen für Ostdeutschland.

Danke, Gerhard Schröder!
Danke, der rot/grünen Bundesregierung!

Karl Nolle im Webseitentest
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