Karl Nolle, MdL

Katalogvorwort zum Plakatwettbewerb gegen Gewalt und Intoleranz, 01.11.2000

ANSTIFTUNG - Gegen Hass, Gewalt und Intoleranz

Dokumentation eines internationalen Plakatwettbewerbes
 
Am 13.Februar 1995 veranstaltete die Dresdner Gesellschaft für Lichtdruckkunst e.V. nach einer Idee und Initiative von Karl Nolle, unterstützt vom Druckhaus Dresden, einen internationalen Plakatwettbewerb zum Thema: ANSTIFTUNG GEGEN HASS-GEWALT-INTOLERANZ.

Anläßlich des 50.Jahrestages der Zerstörung Dresdens sollte diese Initiative an diesem Tag mehr als nur die Dresdner Betroffenheit bewegen und die tatsächlichen Ursachen von Krieg und Zerstörung und der Dresdner Bombennacht vom 13.2.45 in Erinnerung rufen.
Über 200 Künstler aus 20 Ländern haben fast 500 Plakatentwürfe zu dem Thema eingereicht. Die acht besten, prämierten Plakate wurden 10 Tage lang im Stadtbild Dresdens an allen Litfaß-Säulen, auf Plakatständern und am Zaun der Frauenkirche gezeigt. Aus der Ruine der Frauenkirche wurden nachts die besten 100 Plakate als Dias auf eine Großbildleinwand projeziert. (Das Plakat des 1. Preisträgers wurde 1996 auf dem Deutschen Plakatgrandprix überraschend mit einer Bronzemedallie augezeichnet)

Da der damalige Katalog inzwischen vergriffen ist, hat sich der JUNIUS-Verlag-Dresden aus aktuellem Anlaß entschlossen, diesen eindrucksvollen Katalog der 200 Plakatekünstler, durch ein aktuelles Vorwort ergänzt, nachzudrucken und anläßlich einer Ausstellung der Plakate im Sächsischen Landtag, veranstaltet von der SPD-Landtagsfraktion am 7.11.00 um 18 Uhr, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Hier das aktuelle Vorwort:

VORWORT
Fast prophetisch klingen heute unsere Gedanken zur Initiative für einen internationalen Plakatwettbewerb von 1995 zu „Hass, Gewalt und Intoleranz“. Die Resonanz bei den zahlreichen internationalen Teilnehmern und der Öffentlichkeit, um den 13. Februar 1995, war sehr ermutigend. Aber auch die üblichen Bedenkenträger und Schönredner meldeten sich damals zu Wort.

An politischen Mahnungen und Warnungen, vor einer Neuauflage rechter Ideologien und menschenverachtendem Terror, hat es in den letzten Jahrzehnten nicht gefehlt. Inzwischen ist die befürchtete Gewaltbereitschaft, zu unserer aller Schrecken, in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Eine unfaßbare Blutspur zieht sich durch Deutschland Ost und Deutschland West. Brennende Asylantenheime gejagte und erschlagene ausländische Mitbürger sind die unfaßbaren Anzeichen von Deformationen einer freiheitlichen, toleranten Gesellschaft, in der aus verbaler Verachtung und Haß nun schreckliche Taten geworden sind.

Bundeskanzler Gerhard Schröders Aufruf zum „Aufstand der Anständigen“, von ihm mahnend gefordert, trifft er auf eine Bürgergesellschaft mit entwickelter Zivilcourage, mit der Bereitschaft sich zu wehren, mehr Mut als nur Gesicht zeigen, mehr als nur Gesichterketten und Lichterketten zu formen, mehr als nur Bestürzung zu äußern und Betroffenheit?

Ich wünschte mir, daß dieser ungeheure Angriff auf die Substanz und den Kern unserer demokratischen Gesellschaft, auf Humanität, Freiheit, Toleranz und Gerechtigkeit keine noch schlimmeren Verwüstungen unserer Seele, unserer Moral und unseres Ansehens in der Völkergemeinschaft hinterläßt.

Ich wünschte mir, daß jene Politiker und Parteien, die ihre populistische Suppe auf dem braunen Feuer kochen wollen, zur Besinnung kommen oder zur Besinnung gebracht werden.

Ich wünschte mir, daß wohlmeinende Gutgläubigkeit und Friedfertigkeit nicht soweit gehen, die wirklichen Ursachen von Gewaltbereitschaft und Rechtsterrorismus und die Lösungsansätze zu ihrer Bekämpfung zu verklären.

Ich halte es für einen schlimmen Irrtum, zu glauben, die deutschen Nazis und die heutigen Rechten wären eine Bewegung von Ungebildeten, Armen und Arbeitslosen. (Wenn dies richtig wäre, müßten der größte Teil der Armen und Arbeitslosen auf der Welt Nazis sein.)

Die 13 % DVU - Wähler in Sachsen-Anhalt waren nicht überwiegend Ungebildete. Die Kampfgemeinschaft Sächsische Schweiz sind eher Handwerksmeister, Fahrlehrer und Versicherungskaufleute als Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose!

Das gefährliche an den Nazis und Neonazis ist, sie sind scheinbar ganz normale Nachbarn, ordentliche Deutsche, mit Schäferhund, Königspudel und Angorakatze, und das ist die Masse. Die Nazis haben immer schon einen großen Teil der deutschen Eliten begeistert. Hitler ist 1933, von über der Hälfte der Wähler des deutschen Volkes parlamentarisch an die Macht gebracht worden.

Auch durchaus ehrenwerte Leute, wie Theodor Heuss (FDP), der erste Bundespräsident der Bundesrepublik, hat dem hitlerschem Ermächtigungsgesetz zugestimmt. Wo waren damals die CDU-Ahnen, das deutsche (katholische) Zentrum, als Otto Wels, der lezte SPD-Fraktionsvorsitzende im Reichstag, am 23. März 1933 und mit ihm 94 SPD-Abgeordnete (ein Teil der SPD Abgeordneten waren schon verhaftet oder geflohen, die KPD verboten) gegen das hitlersche Ermächtigungsgesetz stimmte und zuvor seine berühmten Worte, an Hitler und die Reichstagsabgordneten der Nazis gerichtet, sprach: "Das Leben können Sie uns nehmen, die Ehre nicht".

Ideologen sind immun gegen die Wirklichkeit und immun gegen Argumente. Politischer oder religiöser Fanatismus diskutiert nicht, er agitiert, foltert und mordet. Aber Gewaltinstinkte, Intoleranz und der lockere Umgang mit Legalität sind nicht unbedingt parteipolitisch zuzuordnen, wenn auch die schändliche Blutspur durch Deutschland heute allein auf das Konto rechter Fanatiker gehen.

Wer sich aus Machtbesessenheit und Machtarroganz dumpfer Instinkte bedient, von der Lufthoheit über den Stammtischen und von verrasster Gesellschaft spricht oder von den Segnungen deutscher Leitkultur, wer Politik im Kampfanzug propagiert, wie manche Schirmherren ethnischer Stoiberungen, der versündigt sich an den Grundpfeilern und Grundwerten unserer Gesellschaft, an Tolereranz, Humanität, Zivilität und Gerechtigkeit.

Hier zu mahnen, zu apellieren und zum Denken anstoßen, wollten die internationalen Plakatekünstler und unsere Initiative, das ist heute so aktuell wie 1995.

Karl Nolle, Dresden im November 2000

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: