Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 11.11.2014

Vertrag unterschrieben / Tillich zufrieden / Sozialdemokraten setzen drei Ministerposten durch

 
"Es gibt auch Koalitionen zwischen CDU und SPD, die gut laufen"

Dresden. Zwei oder drei? Diese Frage hatte die CDU- und SPD-Mitglieder nach Beginn der Koalitionsverhandlungen lange beschäftigt. Erhalten die Sozialdemokraten als kleiner Regierungspartner zwei oder drei Ministerien? Seit gestern Morgen ist der Sachverhalt geklärt. Und in gewisser Weise lautet die Antwort: Zweieinhalb!

Es war eine kleine Überraschung, die der CDU-Vorsitzende und Ministerpräsident Stanislaw Tillich und der SPD-Chef Martin Dulig im Dresdner Ständehaus am Rande der Altstadt verkündeten. Die SPD wird zum einen das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr übernehmen. Zum anderen erhält sie das Ressort Wissenschaft und Kunst. Darüber hinaus stellt sie eine Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, die allerdings kein eigenes Haus aufbauen darf. Vielmehr wird sie dem Sozialministerium angegliedert, das der CDU erhalten bleibt. Die neue Integrationsministerin soll aber auf alle betroffenen Fachreferate zugreifen können.

"Wir wollten einfach dem Thema Integration und Gleichstellung, was wirklich eine zentrale Herausforderung ist, eine besondere Bedeutung zukommen lassen", erklärte Dulig diese ungewöhnliche Konstellation. Neu ist sie nicht. Schon in vorherigen Regierungen hatte es Minister ohne eigenes Ministerium gegeben. Friederike de Haas (CDU) amtierte von 1994 bis 1999 als Staatsministerin für die Gleichstellung von Frau und Mann. Christine Weber (CDU) war von 1999 bis 2002 ihre Nachfolgerin. Hinter den Kulissen spielten aber auch machttaktische Erwägungen eine Rolle. Die SPD kann mit drei Ministern verdeut- lichen, dass sich der Abstand zur Union im Gegensatz zur ersten schwarz-roten Koalition, die Sachsen von 2004 bis 2009 regierte, verkürzt hat. Die CDU hatte damals 41,1 Prozent bei der Wahl erzielt - aktuell sind es 39,4. Die SPD lag vor zehn Jahren bei 9,8 Prozent, am 31. August 2014 stimmten 12,4 Prozent für sie. Diese - wenn auch kleine - Verschiebung sollte sich in der Regierungsbildung niederschlagen.

Der SPD ging es zudem darum, Lehren aus ihrer ersten Kabinettsbeteiligung zu ziehen. Drei Minister waren für sie deswegen so wichtig, um selbstbewusster gegenüber dem Regierungspartner auftreten zu können: Wenn ein SPD-Ressortchef künftig mal bei Kabinettsitzungen fehlt, sitzt nicht mehr ein Sozialdemokrat allein am Tisch. Insgesamt gleicht das 2014er Kabinett dem 2004er. Bereits damals hatte die SPD das Wissenschafts- und das Wirtschaftsressort geführt. Die Union übernimmt nun wieder die Häuser Finanzen, Inneres, Kultus, Justiz, Soziales und Verbraucherschutz sowie Umwelt und Landwirtschaft. Auch der Chef der Staatskanzlei wird ein CDU-Mann sein.

Im Wahlkampf war noch über einen Neuzuschnitt der Ministerien gemutmaßt worden. Die SPD liebäugele mit einem Ministerium für Arbeit und Soziales, hieß es bis zuletzt. Die Verhandler von beiden Parteien verwarfen diesen Ansatz: Dadurch sei Kontinuität gewährleistet und die Regierung könne schnell an die Arbeit gehen. Auch der Wunsch der CDU, künftig wieder den Wirtschaftsminister zu stellen, konnte die Union nicht durchsetzen. Die SPD wäre nur zum Verzicht bereit gewesen, wenn sie im Gegenzug ein anderes Schlüsselressort erhalten hätte - beispielsweise Inneres, Kultus oder Finanzen. Dafür konnte sich die CDU nicht erwärmen.

Tillich empfindet es aber nicht als Niederlage, dass wieder ein Sozial- demokrat der oberste Wirtschaftsförderer wird: "Ich bin von allen Wirtschafts- vertretern schon im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht worden, dass es ihnen sehr wichtig ist, dass Wirtschaft und Arbeit auch zusammen bleibt, so wie es sich seit Jahren in Sachsen bewährt hat."

Überhaupt betonten er und Dulig gestern die gute Zusammenarbeit zwischen den Koalitionären. Man wolle sich kein Beispiel an Thüringen nehmen, sagte Tillich. Dort hatte es zwischen CDU und SPD in der Regierung häufig gekracht. "Man kann durchaus erleben, dass es auch Koalitionen zwischen CDU und SPD gibt, die gut laufen", stellte der Regierungschef klar.

Welche Personen die jeweiligen Ministerien übernehmen, blieb gestern offen. Die Personalien sollen erst am Donnerstagmorgen bekanntgegeben werden - nachdem sich Tillich morgen zur Wiederwahl als Ministerpräsident im Landtag stellt. Vieles spricht dafür, dass Martin Dulig als SPD-Chef das gewichtige Wirtschaftsressort übernimmt. Als Wissenschaftsministerin wird Eva-Maria Stange (SPD) gehandelt, die diese Posi- tion schon einmal innehatte. Unstrittig ist für viele auch, dass Innenminister Markus Ulbig (CDU) und Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) ihre Ämter behalten. Gleichstellungs- und Integra- tionsministerin könnte Dagmar Neukirch (SPD) werden, neuer Umweltminister Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU), wie spekuliert wird.

Von Kai Kollenberg