Karl Nolle, MdL

zeit.de, 08:40 Uhr, 07.12.2014

Die Linke: Vorerst angekommen

 
Mit der Wahl Bodo Ramelows zum Thüringer Ministerpräsidenten ist die Linke endgültig in der Bundesrepublik gelandet. Es könnte der Anfang ihres langen Endes sein. von Ludwig Greven

Erster Linken-Ministerpräsident: Bodo Ramelow

31 Jahre dauerte es von den wilden Gründungstagen der Grünen 1980, bis einer ihrer Politiker 2011 Ministerpräsident von Baden-Württemberg wurde. Bei der Linken ging es ein paar Jahre schneller. Ein Vierteljahrhundert nach dem Zusammenbruch der DDR und der Umgründung der SED zur PDS, nachmals Linkspartei und nunmehr Die Linke, regiert jetzt erstmals einer der ihren in einem Ost-Bundesland. Und so wie die Regierungsbeteiligung die Ökopartei verändert hat, dürfte es auch der Linken gehen.

Denn bei allen Unterschieden der Parteien, sie haben manche Parallelen. Grüne wie Linke verstanden sich lange Zeit als radikale Alternative zu den etablierten Parteien. Maßgebliche Kräfte in ihren Reihen stellten jeweils das System infrage und wollten es durch ein antikapitalistisches ersetzen (bei der Linken wollen das immer noch einige). Und sie setzten dazu nicht auf konstruktive politische Mitarbeit, sondern sie verstanden sich als Vertreter außerparlamentarischer Interessen, die sonst kein Sprachrohr hatten.

Beide Parteien fusionierten im Laufe ihrer Geschichte mit anders gearteten Bewegungen aus dem jeweils anderen Teil des vereinten Landes. Bei beiden kam auch dadurch ein breites Spektrum von ehemaligen Kommunisten bis zu durchaus Konservativen zusammen. Und beide mussten erst schmerzhaft lernen, ihre idealistischen Vorstellungen der harten Wirklichkeit anzupassen – durch jahrelange Oppositionsarbeit und Regierungsbeteiligung in mehreren Ländern.


Selbstverständlich gibt es einen zentralen Unterschied: Einige Grüne mögen in ihrer linksextremen Vorzeit wirren Ideen angehangen und sich Schlachten mit der Polizei geliefert haben. Aber sie waren nie wie manche in der ehemaligen SED Teil eines Unterdrückungsapparates.

Integration ehemaliger Kommunisten

Dennoch zeigt die Tatsache, dass das ehemalige KBW-Mitglied Winfried Kretschmann für die Grünen seit drei Jahren erfolgreich das strukturkonservative Baden-Württemberg anführt und der frühere DKP-Sympathisant Bodo Ramelow als erster Linker seit Freitag das ähnlich strukturierte Thüringen, wie stark die Integrationskraft des politischen Systems in Deutschland ist. Stärker jedenfalls als der systemsprengende Gründungsimpuls beider Parteien.

Beide Wahlen waren im Vorfeld mit viel Aufregung verbunden, vor allem aufseiten der CDU, die in beiden Ländern nach einer langen Ära ihre Regierungsmacht verlor. Aus übergeordneter Sicht vollzog sich in ihnen jedoch ein wichtiger politischer Schritt: Aus früheren Protestparteien werden endgültig Mitwirkende im friedlichen Wettstreit politischer Ideen. Also genau das, was Demokratie ausmacht, für die vor 25 Jahren die Menschen in der DDR auf die Straße gingen.

Druck zur Veränderung

Die Linke wird das noch kräftig durcheinanderrütteln, so war das auch bei den Grünen. Denn manchen schmeckt das gar nicht. Gut möglich, dass auch bei ihr Mitglieder austreten werden und sich Gruppierungen abspalten wie die Kommunistische Plattform, wenn sie bald schon unschöne realpolitische Kompromisse verantworten muss, die sie dann nicht mehr auf einen größeren Koalitionspartner abschieben kann.

Denn jetzt steht die Linke in Erfurt selbst in vorderster Linie. Und das ist eine unbequeme Aufgabe, die sie stärker verändern wird als in der Vergangenheit. Der bis heute ungelöste Konflikt in ihrem Inneren zwischen eher sozialdemokratischen Pragmatikern, vor allem im Osten, und Linkssektierern vornehmlich, aber nicht nur im Westen, könnte dadurch zur Entscheidung getrieben werden.

Die Reformer wie Ramelow und der frühere Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, aber auch Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi hoffen natürlich, dass die Regierungsverantwortung in Thüringen dafür sorgt, den innerparteilichen Richtungskampf zu ihren Gunsten aufzulösen. Auch um damit Rot-Rot-Grün im Bund zu ermöglichen, vielleicht schon 2017. Ausgemacht ist das allerdings nicht. Einflussreiche Kräfte wie etwa die Linken-Ikone Sahra Wagenknecht und Teile der Bundestagsfraktion halten dagegen.

Aber selbst wenn sich Ramelow, Bartsch und Gysi durchsetzen, heißt das nicht zwingend, dass sich die Linke damit dauerhaft eine Rolle als gewichtige gesamtdeutsche Kraft sichern würde. Denn je mehr sie sich zu einer etwas linkeren sozialdemokratischen Partei anverwandelt, desto mehr wird sich die Frage stellen, wozu es sie neben einer durch eine gemeinsame Koalition wieder nach links rückenden SPD dann noch braucht. Wird sie womöglich langfristig nur noch ein spezieller ostdeutscher Ableger an SPD-Seite bleiben, ähnlich wie die CSU als bisweilen eigenwillige Schwesterpartei der CDU?

Am Ende könnte es sogar darauf hinauslaufen, dass die Linke an ihren unterschiedlichen politischen Vorstellungen zerbricht und sich ihr Reformerflügel der SPD anschließt. Das gab es in der deutschen Geschichte schon einmal: 1922 in der historischen Fusion der USPD, einer linken Abspaltung der Sozialdemokraten in der Weimarer Republik. Der Triumph von Ramelow könnte so betrachtet der Anfang vom langsamen Ende der Linken sein. Zumindest ihres weiteren Aufstiegs.