Karl Nolle, MdL

Mitschnitt der Rede vom 12.09.1974 !!!, 26.06.2015

Karl Nolle: Rede auf der Solidaritätskundgebung "Freiheit für Chile"

 
"Freiheit für Chile", Solidaritätskundgebung
der Jungsozialisten in der SPD am 12.9.1974,
auf dem Marktplatz in Wunstorf (Hannover).
Redner: Karl Nolle jun.


Sehr geehrte Kundgebungsteilnehmer,

heute vor einem Jahr, am 11. September 1973, putschte das Militär unter Führung von General Augusto Pinochet in Chile und trieb den 1970 demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten, Salvador Allende, während der Bombardierung des Präsidentenpalais, in den Tod. Daran wollen wir heute erinnern. Dagegen wollen wir mit dieser Solidaritätskundgebung protestieren.

Wer die Verfolgung politischer Oppositioneller und die Missachtung grundlegender Menschenrechte in der Sowjetunion zu Recht kritisiert, macht sich unglaubwürdig, wenn er nicht ebenso lautstark gegen die unsäglichen Verbrechen der US-Armee in Vietnam protestiert.

Wer gegen den Einmarsch der Warschauer Paktstaaten in die CSSR demonstriert, ohne sich auf die Seite des Widerstandes gegen den Faschismus in Chile zu stellen, offenbart eine gespaltene Moral.

Es ist nicht in erster Linie von Bedeutung warum jemand umgebracht, gefoltert oder gequält wird. Für den Gefolterten oder Ermordeten ist es nicht von Belang, wer ihn gefoltert und ermordet hat.

Zu unserem Erschrecken gibt es eine große Zahl Menschen, die die Abertausenden von Toten des faschistischen Putsches in Chile jubelnd gefeiert haben.

Diese Personen sollten zur Kenntnis nehmen, dass der Weltkirchenrat, angesichts der Ereignisse in Chile, zur Unterstützung aller Widerstandsbewegung gegen Unterdrückung und Ausbeutung aufgerufen hat.

Es gibt Bürger, die beginnen angesichts zehntausender von Toten und Inhaftierten in Chile zu feilschen, als wenn sich an ihrem Gewissen, an ihrer Moral irgendetwas ändern würde, wenn es einige Tote weniger waren, so wie sie feilschen und gefeilscht haben z.B. um die Anzahl, der von den Nazi-Schergen ermordeten mehr als 6 Millionen jüdischen KZ Insassen.

Und es gibt Bürger, die rechtfertigen die Anwendung von Gewalt auf das Leben anderer damit, dass diese auch Gewalt angewandt hätten. Als wenn es nicht ein Unterschied machte, wenn die KZ Wächter der SS Gewalt anwendeten oder ein Häftling.

Unsere Protest gegen die Militärjunta, gegen das faschistische Unrechtsregime in Chile und ihre Helfer mit freiheitlicher Maske in den USA und anderswo, ist keine Parteipolitik, wie diese Veranstaltung der Solidarität keine Parteiveranstaltung ist.

Die tiefe Abneigung gegenüber der Gräuelpolitik der Faschisten in Chile erfasst alle Menschen, für die Moral nicht wie Profit geschrieben wird.
Das große Teile nach außen biederer Demokraten unverhohlen mit dem Terror in Chile sympathisieren, erschreckt und macht eindringlich deutlich auf welcher Seite wir stehen.

Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es Bestrebungen gibt, denen, die auf vom Grundgesetz garantierten Rechten auf freie Meinungsäußerung bestehen und vom Recht auf Versammlungs-, Presse- und Informationsfreiheit gebraucht machen, wieder Judensterne an zu heften.

Wir treten ein für eine neue Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung, deren Inhalt sozialistische Demokratie ist, eine Gesellschaft, in der die Verbrechen in Chile und wo auch immer auf der Welt nur noch in Geschichtsbüchern vorzufinden sein werden, wie die Folterkammern des Mittelalters.

Dass diese sozialistische Demokratie und die damit verbundene Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit den Völkern nicht wie ein Weihnachtsgeschenk auf dem Gabentisch gelegt wird, ebenso wenig, wie die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit, das hat ständigen, konsequenten und unerbittlichen Kampf zur Verteidigung der Demokratie zur Bedingung, das ist eine der Lehren aus Chile.

Diese Veranstaltung ist ein Erfolg weil sie überhaupt stattfindet und weil sie ein Beweis für die entschlossene Solidarität, auch bei uns ist, die unsere chilenischen Widerstandkämpfer so dringend brauchen.

Ich danke Ihnen.

Putsch in Chile 1973

Am 11. September 1973 putschte das Militär in Chile. Der drei Jahre zuvor demokratisch gewählte sozialistische Präsident Salvador Allende nahm sich das Leben, nachdem die Luftwaffe begonnen hatte, den Präsidentenpalast La Moneda zu bombardieren und Putsch-Militär in den Palast eingedrungen war.

Eine Junta unter der Führung von Augusto Pinochet regierte Chile daraufhin bis zum 11. März 1990 als Militärdiktatur. Der Putsch wurde von den USA politisch und finanziell unterstützt, vor allem durch verdeckte Operationen der CIA.