Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 05.05.2001

Belächelt und gefürchtet

Der SPD-Politiker Karl Nolle: Einzelkämpfer gegen das "System Biedenkopf"
 
DRESDEN. Die Villa auf der Schevenstraße kennt Regierungssprecher Michael Sagurna aus eigener Anschauung. Dort gehe es so eng zu, dass der Abgeordnete Nolle nicht zwischen Regal und Sofa durchpassen würde, erzählte Sagurna auf einer Pressekonferenz Anfang April. Der Praxistest steht bis heute aus und wird vermutlich auch nie stattfinden. Doch das ist auch gar nicht mehr nötig: Noch in der gleichen Veranstaltung revidierte Sagurna die Größe der Biedenkopfschen Wohnung von "deutlich unter 100" auf "über 150 Quadratmeter".
Dass ausgerechnet Karl Nolle für den Vergleich herhalten musste, war kein Zufall. Einerseits reizt die Statur des SPD-Abgeordneten, der sich deshalb selbst gern mit Helmut Kohl vergleicht, nachgerade zum Spott; andererseits kommt ihm in der "Putzfrauenaffäre" eine Schlüsselrolle zu. Ganz offenkundig habe die Staatskanzlei das Problem unterschätzt, meint ein CDU-Abgeordneter. Hinzuzufügen wäre: Man unterschätzte es, weil man Nolle unterschätzt hat.

Glückloser Start in der sächsischen Politik

Kein Wunder, denn bis dahin sorgte Nolle mit Pleiten, Pech und Pannen für Schlagzeilen. Er versuchte - vergeblich - das Ergebnis der Dresdner Stadtratswahl 1999 anzufechten. Er wurde schon nach kurzer Zeit als Leiter des Fraktions-Arbeitskreises Wirtschaft abgelöst.

Und er musste seine Kandidatur für den Posten des Dresdner Oberbürgermeisters wieder zurückziehen. Sein Landtagsmandat hat Nolle nur dem damaligen SPD-Spitzenkandidat Karl-Heinz Kunckel zu verdanken, der einen Unternehmer im Wahlkampfteam brauchte. Schon nach einem Jahr im Parlament konstatierte der Druckereibesitzer, die Mehrheit seiner Kollegen konzentriere sich stromlinienförmig auf das Erreichen der Pensionsberechtigung. Seine Beliebtheit im Landtag hat das nicht gesteigert.
Wahrscheinlich will Nolle auch gar nicht beliebt sein, jedenfalls nicht in der Politik. Dann schon eher gefürchtet. In der Person des Ministerpräsidenten hat der 56-Jährige endlich die Zielscheibe gefunden, die ihm die Aufmerksamkeit der Medien beschert und vielleicht sogar noch Ruhm einbringt - falls Kurt Biedenkopf über die Affäre stürzt. "Biedenkopf ist der Kopf eines Systems, das mit seinem schwarzen Schleier das ganze Land bedeckt", sagt Nolle.

Und so wird Nolle nicht müde zu graben und zu fragen. Längst geht es nicht mehr nur um die Dienstvilla. Nolle schnappt auf, dass Biedenkopfs Enkel mit der Dienstkarosse zum Kindergarten chauffiert wurden - und stellt eine parlamentarische Anfrage. Er kriegt den Tipp, dass Ingrid Biedenkopf mit dem Polizeihubschrauber zu einem Krankenbesuch geflogen sei - noch eine Anfrage. "Jeden Tag gibt es neue Fragen", stellt Nolle zufrieden fest. Wenn ihn die Antworten (wie zur Dienstvilla) nicht zufrieden stellen, zieht er prompt vors Verfassungsgericht: wieder eine Schlagzeile. Und wenn die Staatskanzlei (wie beim Hubschrauberflug) heftigst dementiert, macht es auch nichts - dann hat er gleich zwei Schlagzeilen. Damit er nicht wegen üblen Nachrufs verklagt werden kann, fügt Nolle sicherheitshalber stets hinzu: "Ich behaupte nichts, ich frage nur." Für CDU-Fraktionschef Fritz Hähle ist er trotzdem schon der "Verunglimpfungsbeauftragte".

Sein forscher Stil spaltet die eigenen Reihen

In den eigenen Reihen ist man ob des ungewöhnlich forschen Stils gespalten. Der Abgeordnete betont zwar, dass er jeden Schritt mit Fraktionschef Thomas Jurk abstimme. Gleichzeitig nennt er sich aber selbst einen Einzelkämpfer: "Die anderen sind nur nicht so mutig." In Hannover etwa, wo er bis zur Wende lebte und arbeitete, "würde ein Nolle gar nicht auffallen." Wenn er behauptet, er sei von seinem Landtagsmandat nicht abhängig, so ist das nicht einmal gelogen. Sein Job als Geschäftsführer und Gesellschafter eines Dresdner Druckhauses wirft offenbar genug zum Leben ab. Eher muss er befürchten, dass sein Anti-Biedenkopf-Feldzug das Geschäft vermasselt. Versuche, ihn ökonomisch unter Druck zu setzen, gebe es jedenfalls, räumt Nolle ein. Bremsen kann ihn jedoch auch das nicht. "Der Zug rollt", sagt Nolle. Er stehe auf der Lok - und schmeiße die Kohlen nach. Die nächsten Anfragen zum Hineinregieren von Ingrid Biedenkopf in die Ministerien liegen schon parat.
(Steffen Klameth)

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: