Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 17.08.2012

NSU-Terrorzelle: Staatskanzlei im BKA-Visier - Verdacht richtet sich gegen einen Mitarbeiter

 
Dresden. Neues zu den Ermittlungen rund um die Zwickauer Terrorzelle: Nach Informationen der Leipziger Volkszeitung hat das Bundeskriminalamt (BKA) einen Mitarbeiter der sächsischen Staatskanzlei in Verdacht, möglicherweise Hintergründe zur Mordserie zu kennen. Bereits 2007 gab es entsprechende Hinweise, der Bedienstete konnte aber nicht dingfest gemacht werden. Nach dem Auffliegen des Terror-Trios drängt das BKA nun erneut auf Aufklärung.

Der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg ist an Klarheit kaum zu überbieten. Bei den Ermittlungen zur Mordserie an überwiegend türkischen Staatsangehörigen, notieren die Richter am 27. Juni 2007, sei die sächsische Staatskanzlei besonders in den Fokus gerückt. Grund: Zwischen August 2006 und März 2007 seien von einem Rechner der Dresdner Regierungszentrale aus "auffällig häufige Zugriffe" auf eine BKA-Internetseite erfolgt.

Die Stoßrichtung der Richter ist eindeutig. "Es ist davon auszugehen, dass die Zugriffe jeweils von derselben Person ausgingen, die ein besonderes Interesse an dem Stand der Ermittlungen hat", so der Tenor. Somit sei nicht auszuschließen, dass der Mitarbeiter "selbst Erkenntnisse zu den Taten hat". Entsprechend müsse seine Identität mit Hilfe der Dresdner Verbindungsdaten geklärt werden.

Der Beschluss aus Nürnberg ist Teil des internen Aktenkonvoluts zur Terrorzelle, allein dieser Aspekt ist rund 80 Seiten stark. Dabei ist er allemal in der Lage, Sachsens Regierungsvertreter in die Bredouille zu bringen. Zumindest indirekt belegt er, dass der Aufklärungswille der Sachsen in den vergangenen Jahren nicht besonders ausgeprägt war. Denn Fakt ist: Der Mitarbeiter mit dem großen Interesse an der Mordserie konnte 2007 nicht ermittelt werden, weil die Nutzerdaten der Staatsbediensteten zum Teil schon nach wenigen Monaten gelöscht wurden.

Entsprechend wurde der Fall ergebnislos zu den Akten gelegt; wie so oft verlief die Spur im Sande. Dabei gibt es einige Merkwürdigkeiten: So griff der Bedienstete laut BKA nicht nur auffällig oft auf die Internetseite zur Terrorzelle zu, er tat dies auch gern außerhalb der normalen Arbeitszeit - in den späten Abendstunden oder am Wochenende. Darüber hinaus startete er seine Recherche am 9. August 2006, rund vier Monate nach dem letzten Mord des Trios.

Mittlerweile aber hat sich die Lage geändert. Nachdem die Terrorzelle vor rund neun Monaten aufgeflogen war, hat das BKA die alte Spur mit Vehemenz wieder aufgenommen - und fordert von Sachsen Aufklärung. Das ist auch in der Staatskanzlei angekommen. Regierungssprecher Christian Hoose bestätigte gestern das Vorgehen des BKA auf LVZ-Anfrage. Den Ermittlern sei umfassend Einblick gewährt worden. Das BKA wollte sich dazu offiziell nicht äußern, intern hieß es, es sei nichts gefunden worden.

Wie unwohl ranghohen Mitarbeitern bei all dem aber ist, dokumentiert ein interner Vermerk von Abteilungsleiter Max Winter an Staatskanzleiminister Johannes Beermann (CDU) zum Umgang mit dem BKA. "Um die Nichtauffind­barkeit des Vorgangs nicht schriftlich zu dokumentieren", heißt es am 15. Juni 2012, "wird empfohlen, dass die An­forderung auf telefonischem Wege erfolgt".

Von Jürgen Kochinke