Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 20.06.2013

Sächsischer Verfassungsschutz-Vize Vahrenhold muss gehen - unbekannte Akten aufgetaucht.

 
Ermittler stoßen auf drei bisher nicht bekannte Aktenordner mit NSU-Bezug / Details zu Absprachen zwischen Geheimdienst und Polizei

Dresden. Neuer Skandal beim sächsischen Verfassungsschutz um Akten zur Zwickauer Terror-Zelle: Nach Informationen der Leipziger Volkszeitung sind Ermittler bei einer erneuten Sichtung des Geheimmaterials auf drei weitere, bisher nicht bekannte Aktenordner mit Terror-Bezug gestoßen. Bei den Beständen handelt es um die Themenkomplexe Ku-Klux-Klan, Blood & Honour sowie um eine Geheimoperation namens Terzett. Das verlautete gestern aus Sicherheitskreisen in Dresden.

Die jetzt aufgetauchten Ordner sind geeignet, ein neues Licht auf die Ermittlungspannen der Sicherheitsbehörden zu werfen. So steht Ku-Klux-Klan für einen rassistischen Geheimbund vor allem in den USA, der auch in Deutschland sein Unwesen treiben soll. Blood & Honour (Blut und Ehre) wiederum bezeichnet ein Neonazi-Netzwerk mit Schwerpunkt in Sachsen, und Terzett dreht sich um eine hochheikle Abhöraktion der Ermittler im direkten Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU).

Nach LVZ-Informationen sind die neuen Aktenbestände weder registriert, noch sind sie als "VS - vertrauliche Verschlusssache" gekennzeichnet. Zusätzlich brisant ist der Fund, weil die Ordner im sogenannten Altarchiv des Landesamtes für Verfassungsschutz gelagert wurden, eine Art Raum für aktuell nicht mehr benötigte Bestände. Das allerdings widerspricht der aktuellen Lage nach dem NSU-Ermittlungsdebakel.

Interessant ist vor allem der Ordner zum Themenkomplex Terzett mit weiteren Details zu Absprachen zwischen Verfassungsschutz und den Zielfahndern der Polizei. Dabei geht es nicht zuletzt um eine Observation von verdeckten Ermittlern rund um eine Wohnung in Chemnitz im Jahr 2000, an der auch ein Mobiles Einsatzkommando (MEK) beteiligt war. Diese Geheimaktion verlief aus dubiosen Gründen im Sande.

Heikel ist dieser neue Fund aber auch aus politischen Gründen. So war der frühere Chef des sächsischen Verfassungsschutzes, Reinhard Boos, vor rund einem Jahr aus genau demselben Grund zurückgetreten. Auch damals hatte eine Ermittlungspanne das Landesamt erschüttert, nachdem Ermittler erst nachträglich auf Geheimprotokolle gestoßen waren, die eigentlich nicht mehr dort hätten lagern dürfen. Boos hatte die Konsequenzen aus dieser Schlamperei gezogen und seinen Rücktritt erklärt.

Darüber hinaus dürften die neu aufgetauchten Akten auch im U-Ausschuss zum Neonazi-Terror eine erhebliche Rolle spielen. Die nächste Sitzung des Kontrollgremiums findet bereits morgen statt. Diese neuerliche Aktenpanne hat bereits zu ersten Konsequenzen geführt. Gestern Abend wurde bekannt, dass der langjährige Vize beim Landesamt für Verfassungsschutz, Olaf Vahrenhold, zum 1. Juli seinen Hut nehmen muss. Er wird Abteilungsleiter beim Sächsischen Staatsarchiv - eine klare Deklassierung.
Jürgen Kochinke