Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 08.11.2013

Kritik von CDU bis Linke: Zu viele Spitzenbeamte mit West-Biografie

 
Nach LVZ-Beitrag: Abgeordnete fordern mehr Ostdeutsche in Ministerien
Dresden. An der geringen Zahl von Ostdeutschen in Spitzenpositionen im Bereich der sächsischen Staatsregierung gibt es Kritik. Nicht nur CDU-Abgeordnete forderten gestern, das Ungleichverhältnis in Zukunft zu beheben. Kritische Stimmen kamen auch von der Opposition.

Eine überaus klare Position beim Thema vertritt der Leipziger CDU-Mann Rolf Seidel. "Ich würde mir wünschen, dass bei uns mehr Ostdeutsche in führende Positionen gelangen", sagte der Landtagsabgeordnete der Leipziger Volkszeitung. Dies müsse gerade auch für politische Spitzenbeamte in den sächsischen Ministerien gelten. Seine Kritik garnierte Seidel mit einem kleinen Hinweis auf das übliche Verfahren an der Spitze der Landespolitik. "Aber unsere Chefs ziehen nun mal Westdeutsche vor", lautet seine Meinung - "zum Beispiel im Falle des Landespolizeipräsidenten".

Das ist eine Spitze Richtung Innenminister Markus Ulbig (CDU), der den früheren Landespolizeipräsidenten Bernd Merbitz nach längerem Streit nach Leipzig abgeschoben und dabei auch teilweise degradiert hatte. Dessen Nachfolger Rainer Kann dagegen wurde im niedersächsischen Hannover geboren und hat viele Jahre im Rheinland gelebt.

Nicht ganz so hart geht Seidels Abgeordneten-Kollege Alexander Krauß (CDU) zu Werke. Sachsen habe seinen Mitarbeitern aus den alten Ländern "viel zu verdanken", sagte er. Allerdings meint auch Krauß: "In Zukunft müssen wir dafür sorgen, dass mehr Menschen mit einer ostdeutschen Biografie auch in höhere Positionen kommen."

Einen etwas anderen Ton schlägt Eva-Maria Stange (SPD) an. Für die ehemalige Wissenschaftsministerin ist das Übergewicht von Westdeutschen in Spitzenämtern Folge des speziellen Aufstieg-Systems von Beamten in Deutschland. "Das Laufbahn-Prinzip sowie der permanente Stellenabbau in Sachsen führen automatisch dazu, dass kaum neue Leute eine Chance bekommen, in Spitzenbereiche vorzudringen", sagte Stange. Dies gehe zu Lasten der Mitarbeiter aus den neuen Ländern und werde sich erst in einigen Jahren allmählich ändern.

Auch Sachsens Grüne kritisieren die Einstellungspraxis. Entscheidend sei, dass das Land seine Möglichkeit zur personellen Erneuerung der Verwaltung nutzt, meinte Eva Jähnigen. Ihre Prognose dabei lautet: "Wir können sicher sein, dass sich die westdeutsche Dominanz in der sächsischen Verwaltung demografisch lösen wird."

Das ist allemal eine gewagte These. Schließlich hatten mehrere kleine Anfragen des Linke-Abgeordneten Dietmar Pellmann ergeben, dass sich der Anteil von Spitzenbeamten mit Westbiografie in den letzten Jahren sogar weiter erhöht hat - von knapp über 60 auf jetzt 80 Prozent. Pellmann kritisierte dies als Werk "landsmannschaftlicher Seilschaften". Dagegen sprach Minister Ulbig davon, die Staatsregierung entscheide ausschließlich nach "Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung".
Von Jürgen Kochinke