Karl Nolle, MdL

Vogtland-Anzeiger, Tageszeitung für Plauen und das Voigtland, 08.07.2014

Bauernopfer im "Sachsensumpf"?

 
Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum "Sachsensumpf" wird am Donnerstag im Landtag vorgestellt. Bringt dann die Demokratie die Wahrheit ans Licht?

Demokratie sei keine Wahrheits-, sondern eine Mehrheitsfrage, kommentierte Karl Nolle (SPD).

Plauen  -  Karl Nolle (SPD), Klaus Bartl und Enrico Stange (beide Die Linke), alle drei Mitglieder des Untersuchungsausschusses, berichteten Ende letzter Woche in der Plauener Jugendherberge über die Ergebnisse ihrer vierjährigen Arbeit im Ausschuss. Nolles Fazit: "Der Umgang mit der Sache selbst, das ist der eigentliche Sachsensumpf." Damit beklagte er, wie seit Jahren von interessierter Seite versucht würde, den sogenannten Sachsensumpf zu bagatellisieren, unter den Teppich zu kehren oder von seiner Brisanz durch Bauernopfer abzulenken.



Auf dem Podium: Kathrin Schauer. Klaus Bartl (Mitte) und Michael Bartsch.
Foto: S. Rössel


Ein Tag, der alles veränderte

Minutiös schildert Karl Nolle einen Tag im Leben von Simone Henneck. Ein Tag, der ihr Leben auf den Kopf stellte. Es war der 3. Juli 2007. Henneck, einst erfolgreiche Staatsanwältin, später beim Landesamt für Verfassungsschutz zuständig für Organisierte Kriminalität, wartet nunmehr seit dreieinhalb Jahren, ob es vor dem Landgericht Dresden einen Prozess gegen sie wegen Verfolgung Unschuldiger geben wird. An diesem Tag, so Nolle, sei sie früh um sechs Uhr ins Amt gekommen, gesundheitlich schwer angeschlagen.

Ihr wurde angewiesen, vor der Staatsanwaltschaft eine Aussage zu machen; unvorbereitet. Dabei sei ihr verschwiegen worden, dass sie nicht als Zeugin, sondern als Beschuldigte geladen war. Am Nachmittag hätten dann zwei Vorgesetzte Frau Henneck massiv bedrängt und ihr noch, als sie von Rettungssanitätern weggetragen worden sei, ein Disziplinarverfahren angekündigt. Für Nolle sind dies "weißrussische Vernehmungsmethoden".

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf?

Warum also wurde die einst prämierte und gelobte Referatsleiterin suspendiert und selbst beschuldigt? Auf einen Nenner gebracht: weil die noch am 5. Juni 2007 in einer Rede vor dem Landtag ("Mafia-Rede") vom damaligen sächsischen Innenminister Albrecht Buttolo an die Wand gemalte Herrschaft der Krake Mafia und der Organisierten Kriminalität in Sachsen als nicht mehr opportun galt.

Es sich dabei mehr oder weniger um eine Schimäre gehandelt habe. Oder um die Einbildungen einer übereifrigen Beamtin mit diffusen Verschwörungstheorien. Auf den Punkt gebracht: weil der unappetitliche "Sachsensumpf", die Melange aus Zuhältern, Auftragsmördern, angeblich korrupten Richtern, missbrauchten Kindern und Prostitution, im Vorzeigefreistaat nicht ins christlich-liberale Bild passte. Oder aber auch: weil es den Sumpf gar nicht gibt?

Enthüllungsjournalist Jürgen Roth kehrt zurück

Das jedenfalls ist seit einigen Jahren die herrschende und veröffentliche Meinung. Selbst Die Zeit schreibt im April 2009: "Heute wissen wir, dass ein solcher Sumpf nicht existierte." Kritisiert wird in diesem Zeit-Beitrag der Publizist Jürgen Roth, der auch im Podium Platz genommen hatte. Seine Rolle beim sogenannten Sachsensumpf, so Die Zeit, sei "alles andere als harmlos" gewesen. Zudem verrühre er "seinen Recherchefundus zu einem schwer genießbaren Brei".

Wir kennen Jürgen Roth schon. Er hatte 2007 Plauen, wo sich seiner Meinung nach "allenfalls Neonazis freudig tummeln", "im fernsten Osten Deutschlands" entdeckt. Und Plauen zu kennen räumte er allenfalls "häkelnden Damen" ein. Alles nachzulesen in einem damals im Hotel am Theater heftig diskutierten Beitrag ("Verschweigen als System - das Beispiel Plauens") über kriminelle Machenschaften, Stasi-Seilschaften und wucherndes Rotlicht-Milieu in Plauen.

Roth machte diesmal die überregionale Presse dafür verantwortlich, dass der "Sachsensumpf" aus dem Blick geraten sei. Er benannte explizit den FAZ-Journalisten Rainer Burger, der in Sachsen mit der Verfassungsmedaille bedacht wurde.

"Wer schützt Cathrin Schauer?"

Klaus Bartl erläuterte, der Ausschuss habe auch die Plauener Karo-Geschäftsführerin Cathrin Schauer als Zeugin geladen. Die Absicht: "strukturelle Hintergründe" aufzudecken, die vor allem im Schwerpunkt "Abseits Vogtland" vermutet wurden. Inzwischen seien jedoch Interna aus dieser Ausschusssitzung an die Öffentlichkeit gelangt, was Die Linke auch dazu bewogen habe, zur Veranstaltung in der Jugendherberge in Plauen einzuladen. So veröffentlichte die Sächsische Zeitung einen Beitrag, in dem schon die Überschrift verkündete: Karo-Chefin unter dem Decknamen Asterix als Informantin für den sächsischen Verfassungsschutz enttarnt.

Zu erfahren war in dem Beitrag auch, Schauer habe im Ausschuss bestätigt, ein Verhältnis mit dem sie betreuenden Verfassungsschützer gehabt zu haben. Frau Schauer trug in der Jugendherberge ihre Ansicht vor. Zu keiner Zeit habe sie für den Verfassungsschutz gearbeitet. Sie habe jedoch Informationen über schwere Verbrechen an Kindern an das Referat Organisierte Kriminalität des sächsischen Verfassungsschutzes weitergegeben. Und sie bekräftigte unter dem Beifall der Anwesenden: "Das würde ich auch jederzeit wieder tun!" Einhellig war die Solidarität mit Karo bis hin zur besorgten Frage: "Wer schützt Cathrin Schauer?"

Ist "Sachsensumpf" ausgetrocknet?

Was bleibt ist Unbehagen. Unbehagen ob einer Justiz, die mit ihresgleichen deutlich glimpflicher umgeht als zum Beispiel mit den beiden Ex-Zwangsprostituierten, die wegen Verleumdung angeklagt wurden. Unbehagen ob Aktenschwärzungen und Ungereimtheiten, die von Amts wegen vorgenommen werden, wo konsequente Aufklärung Not täte. Unbehagen auch wegen des haarsträubenden Umgangs mit Beamten, die seit Jahren suspendiert sind und auf ihre Prozesse warten.

Klaus Bartl kündigte auf die Frage, ob wir uns vom "Sachsensumpf" verabschieden können, an, dass es auf dem Wege individueller Prozesse weitergehen werde. Auch die Durchstecherei im Falle Schauer werde ein juristisches Nachspiel haben.

Von Lutz Behrens

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