Karl Nolle, MdL

welt.de, 14:10 Uhr, 21.07.2015

Janis Varoufakis: "Wir haben Fehler gemacht, aber …"

 
Es sind ungewöhnliche Töne, die Varoufakis jetzt abgibt. Im US-Fernsehen gesteht er erstmals Fehler ein, nur um die Hauptschuld anderen zuzuschieben. Auch Varoufakis wollte eine Art "Grexit auf Zeit".  Seit seinem Amtsrücktritt als Finanzminister arbeitet Janis Varoufakis als einfaches Parlamentsmitglied der Tsipras-Regierung

Auch nach seinem Rücktritt als griechischer Finanzminister bleibt Janis Varoufakis laut wie eh und je. Vor wenigen Tagen noch schimpfte er über die Politik der Gläubiger. Die Wirtschaftsreformen seien zum Scheitern verurteilt, polterte er gegenüber der britischen BBC (Link: http://www.welt.de/144175172) . Doch nun schlägt der Professor ganz neue Töne an. In einem Interview mit dem US-Nachrichtensender CNN (Link: http://edition.cnn.com/2015/07/20/world/amanpour-greece-yanis-varoufakis/index.html) hat Varoufakis tatsächlich Fehler in den Verhandlungen mit den Geldgebern eingeräumt. Wenn auch nur für einen ganz kurzen Moment.

"Wir haben Fehler gemacht, daran besteht überhaupt kein Zweifel", sagte Varoufakis gegenüber der Nachrichtensprecherin Christiane Amanpour, "und ich übernehme die Verantwortung für einige von ihnen." Welche das sein sollen, ließ er offen.

"Aber die Wahrheit ist", schwenkt Varoufakis im gleichen Atemzug wieder auf Angriff, "dass die sehr machtvollen Gläubiger gar kein Interesse an einer sinnvollen, für beide Seiten vorteilhaften Einigung hatten." Vielmehr seien die Institutionen – der Internationale Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und die Europäische Kommission – an der Demütigung und dem Sturz der Regierung interessiert gewesen. Oder zumindest hätten sie sicherstellen wollen, dass sie sich selbst zu Fall bringt.

Den Weg frei gemacht

Dem wollte Varoufakis offenbar zuvorkommen. Er trat in der Nacht nach dem Griechen-Referendum zurück. 61 Prozent der Teilnehmer hatten sich dabei gegen die bisherigen Gläubigervorschläge ausgesprochen. Eigentlich genau das, wofür Ministerpräsident Alexis Tsipras, Varoufakis und der Rest der Athener Regierung im Vorfeld geworben hatten. Trotzdem war Varoufakis am Morgen danach nicht mehr Teil des Kabinetts.

"Die Menschen haben Nein gesagt. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass die Regierung in den künftigen Verhandlungen mit den Geldgebern schließlich einknicken würde." Mit seinem Rücktritt machte er den Weg zu neuen Gesprächen mit den Gläubigern hin zu Reformen und einem dritten Hilfspaket (Link: http://www.welt.de/144168677) frei.

Der Kritik des Topökonomen Paul Krugman, der der griechischen Regierung in einem CNN-Interview Kompetenz absprach (Link: http://www.welt.de/144213405) , stimme er diesbezüglich sogar zu. "So schockierend sich das auch anhört." Tsipras hätte sich letztlich für einen Weg entschieden, mit dem der Rest der Regierung und das Volk nicht einverstanden war.

Die Aussage Krugmans aber, dass die Athener Regierung (im Vorfeld des Referendums) nur bessere Konditionen erzwingen wollte, ohne einen Back-up-Plan zu haben, ließ Varoufakis nicht auf sich sitzen. "Das ist nicht wahr. Wir hatten einen Plan B. Wir, das Finanzministerium, haben ihn ausgearbeitet", sagte er vollmundig.

"Habe kein grünes Licht bekommen"

Einen Grexit, den Austritt aus der Euro-Zone, sah dieser Plan demnach zwar nicht vor. Dennoch sollte Griechenland für einen begrenzten Zeitraum eine an den Euro gekoppelte Währung erhalten. Den Euro als Zahlungsmittel hätte es in Griechenland für mehrere Jahre nicht mehr gegeben. Eine Idee (Link: http://www.welt.de/144109207) , mit der sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Unmut halb Europas auf sich zog.

Es kam anders, Varoufakis' Plan wurde von Tsipras nicht unterstützt. "Ich habe kein grünes Licht bekommen, ihn zu erwirken." Das sei, und damit schließt Moderatorin Amanpour das Interview, "einer der Hauptgründe für den Rücktritt" gewesen.

Seither hält Euklid Tsakalotos (Link: http://www.welt.de/144101155) das Finanzminister-Zepter in der Hand, eine Einigung mit den Geldgebern konnte erzielt werden. Nun hat das hoch verschuldete Land nach dem Empfang von gut sieben Milliarden Euro aus dem EU-Rettungstopf umgehend fällige Schulden bei IWF und EZB beglichen. Nach drei Wochen öffneten zu Wochenbeginn auch die Banken wieder. Zugleich wurde das Leben mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer von 13 auf 23 Prozent spürbar teurer.
rct