Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 23.08.2018

Streit um Polizeieinsatz spitzt sich zu / Wenn zwei Fraktionschefs über das ZDF debattieren

 
Pegida-Demonstrant ist Angestellter des LKA Die Diskussion über den Polizeieinsatz gegen Journalisten in Dresden wird immer mehr zur Koalitionskrise. Dabei sollte genau das verhindert werden.

DRESDEN - Bei dem Pegida-Demonstranten, der vor einer Woche in Dresden ein ZDF-Team bedrängte und Anzeige erstattete, handelt es sich um einen Angestellten des Landeskriminalamtes (LKA), also Sachsens zentraler Polizeibehörde. Das teilte das Sächsische Innenministerium gestern Abend mit. Er sei "ein Tarifbeschäftigter des LKA". Welche Aufgabe er hat, geht nicht aus der Information hervor. Der Mitarbeiter sei aber nicht im Dienst gewesen, sondern habe "als Privatperson an der vorangegangenen "Versammlung teilgenommen". Derzeit sei er im Urlaub. Über Konsequenzen werde entschieden, wenn der Vorfall aufgeklärt sei. Innenminister Roland Wöller (CDU) sagte in einer ersten Reaktion: Selbstverständlich gelte für jeden das Recht auf freie Meinungsäußerung-. Er erwarte aber von allen Bediensteten seines Ressorts, "auch wenn sie sich privat in der Öffentlichkeit aufhalten und äußern, ein korrektes Auftreten". Zuvor hatten Äußerungen der Fraktionschefs von CDU und SPD erkennen lassen, dass die Diskussion mehr und mehr zu einer Koalitionskrise wird (kok). Seite 2: Bericht Dresden - Der Besuch der Bundeskanzlerin in Sachsen liegt eine Woche zurück, allerdings sind die Wogen längst nicht geglättet. Noch immer köchelt die Affäre um ein ZDF-Team, das der Polizei vorwirft, es am Rande der Dresdner Pegida-Demonstration bei der Arbeit behindert zu haben. Mittlerweile hat sich die Angelegenheit zu einer kleinen Koalitionskrise ausgewachsen. Im Mittelpunkt dabei: die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD.

Gespannt hatten sowohl CDU als auch SPD darauf gewartet, wie das Format "Frontal 21" den Vorfall aufgreifen würde. Im ZDF-Hauptprogramm konnten sie sich am Dienstagabend zur besten Sendezeit ein Bild davon machen. In einem Minutenprotokoll schilderten die Reporter, wie der Kameramann zunächst filmte, von Demonstranten bedrängt wurde - und das Team sich dann rund eine Dreiviertelstunde mit der Polizei auseinandersetzen musste.

Knapp siebeneinhalb Minuten dauerte der Bericht. CDU-Fraktionschef Frank Kupfer gefiel anscheinend nicht, was er sah. Er hatte aber weniger am Auftreten der Polizei etwas auszusetzen, sondern am ZDF. Im sozialen Netzwerk Facebook postete er - in .eigenwilliger Diktion - unter dem Beitrag von "Frontal 21": "Öffentlich rechtliche... dafür bezahlen wir Beiträge..." Darauf antwortete Kupfers Amtskollege von der SPD, Dirk Panter, an gleicher Stelle. Er war nicht weniger scharf im Ton: "Diese undifferenzierte und billige Polemik von einem Mann, der in diesem Land eigentlich Verantwortung trägt, ist eines der großen Probleme Sachsens..."

Kupfer und Panter wird nicht das allerbeste Verhältnis nachgesagt, aber dieser öffentliche Austausch ist dennoch ungewöhnlich. Zumal die Koalition bisher alles versucht hatte, über die Polizei-Kontroverse keinen großen Streit ausbrechen zu lassen. Der SPD-Landeschef Martin Dulig, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist, widersprach zwar Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Er unterstellte - anders als der Regierungschef den Journalisten kein unseriöses Verhalten. Dulig war trotzdem bemüht, die Auseinandersetzung zu versachlichen. Er regte an, dass die Polizeibeamten geschult werden müssten, um in derartigen Situationen besser zu reagieren. Früher hatte sich der SPD-Chef deutlich prononcierter geäußert. Anfang 2016 fragte er, ob bei der sächsischen Polizei die Sympathien für Pegida nicht größer seien als im Bevölkerungsdurchschnitt. So viel Schärfe wollte die SPD dieses Mal nicht in die Debatte einbringen.

Dazu passt, dass auch im Kabinett am Dienstagmorgen das Thema nur am Rande eine Rolle spielte: Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) bat darum, dass die gesamte Regierung über die Untersuchung des Dresdner Falls auf dem Laufenden gehalten werde. Das Innenministerium sicherte dies zu. Damit hätte es die Koalition gern bewenden lassen. Denn die Aufarbeitung des Vorfalls durch die Polizeidirektion Dresden und das Innenministerium dauert noch an.

Heute wird Innenminister Roland Wöller (CDU) im Innenausschuss Stellung nehmen müssen. Die Fragen der Opposition sind seit dem "Frontal-2i"-Beitrag nicht weniger geworden. Die Jourhalistenausweise des Kameramanns und des Redakteurs wurden beispielsweise zweimal kontrolliert - und das, obwohl die Polizisten nach dem ersten Mal nichts auszusetzen hatten.

Die Polizeidirektion Dresden erklärt dies auf Anfrage mit der Anzeige, die ein Demonstrant gegen einen der Journalisten erstattete. Doch laut ZDF-Bericht erschien der Mann erst, während die zweite Ausweiskontrolle bereits lief. Bislang kann dieser Widerspruch nicht aufgelöst werden.

Ministerpräsident Kretschmer hält gleichwohl weiterhin an seiner ersten Äußerung fest und stärkt der Polizei den Rücken: "Meine Meinung habe ich deutlich gesagt", ließ er gestern per Twitternachricht wissen. "Aufarbeitung der Polizei zeigt Ordnungsmäßigkeit des Einsatzes. Ich bin überzeugter Verteidiger der Pressefreiheit und eines sachlichen Meinungsstreits."

KAI KOLLENBERG