Karl Nolle, MdL

MOPO Dresden, 27.01.2020

Kurt Biedenkopf wird am 28.01.2020 - 90 Jahre alt. So veränderte der ehemalige Ministerpräsident Sachsen.

Dienstag feiert der erste Ministerpräsident des Freistaats nach der Wende seinen 90. Geburtstag.
 
Von Juliane Morgenroth

Dresden - Als professoraler, höchst populärer Landesvater machte Kurt Biedenkopf (CDU) aus Sachsen ein ostdeutsches Vorzeige-Bundesland..Der Alt-Ministerpräsident und seine Landesmutter (hier 2016): Ehefrau Ingrid avancierte zur Mitregentin. Legendär ist ihr Ausspruch: "Seit wir Ministerpräsident sind". Dreimal holte er bei Wahlen die absolute Mehrheit. Noch heute mischt er im politischen Betrieb mit. Dienstag feiert Sachsens erster Ministerpräsident, "König Kurt", seinen 90. Geburtstag. Still wurde es nach seinem Rücktritt 2002 nie. Dafür war und ist "Biko" viel zu umtriebig. Ob als Redner, Tarifkonflikt-Schlichter oder wie zuletzt als CDU-Unterstützer im Landtagswahlkampf. regelmäßig fährt er in sein Büro in der Dresdner Innenstadt. Er arbeitet auch an weiteren Tagebüchern. Und auch auf gesellschaftlichem Parkett ist er mit Gattin Ingrid (88) oft zu sehen.

Seine politische Karriere startete im Westen. Als Bochumer Uni-Rektor arbeitete er sich über die Geschäftsführung des Henkel-Konzerns zum Generalsekretär der Bundes-CDU hoch.

Als Dauerrivale von Helmut Kohl (†87) erlebte er alle Höhen und Tiefen der Politik.In Sachsen dann die zweite Karriere: 1990 wurde er Spitzenkandidat der CDU und gewann in der Folge dreimal Wahlen mit mehr als 50 Prozent, heute utopisch.  2002 verblasste der Glanz.



 "König Kurt" schaffte es, den Sachsen Selbstbewusstsein zu vermitteln, und förderte mit seiner Leuchtturmpolitik Unternehmen und Wachstumszentren. Das musste selbst die Opposition anerkennen. Die sich aber an seinem monarchischen Führungsstil stieß. Mit Gattin Ingrid regierte er als eine Art Doppelspitze. "Wir verdanken uns gegenseitig viel. Meine Frau teilt meine Last und ich teile ihre Last", sagte er einmal. Seine Frau hatte gar ein eigenes Büro.

Doch der Glanz verblasste: 2002 war die Biko-Regentschaft vorbei.

Nicht nur Affären (Paunsdorf-Center, Ikea-Rabatt, "Villa wohnen, Platte zahlen") kosteten ihn das Amt. Sondern auch interne CDU-Machtkämpfe.

In den vergangenen Jahren machte "Biko" weiter von sich reden - etwa als Aufsichtsrats-Chef der Porzellan-Manufaktur Meissen. Den teuren, gescheiterten Umbau zum Luxuskonzern unterstützte er bis zuletzt - 2015 musste er auf Geheiß der Tillich-Regierung gehen.

Vernichtende Worte über Nachfolger Tillich

Legendär war die Polit-WG der ersten Regierung - wegen Raummangels.
Hinzu kam der erbitterte Streit mit Amtsnachfolger Tillich um die Finanzierung seiner Tagebücher. Nicht zuletzt wird Biedenkopf seine Aussage von einst, wonach die Sachsen immun gegen Rechtsextremismus seien, angesichts jüngster Entwicklungen immer wieder als Fehleinschätzung vorgehalten.

Ein Blatt vor den Mund - manchmal auch zum Entsetzen seiner Parteifreunde - nimmt er auch heute nicht. Über seine Amtsnachfolger Georg Milbradt (74) und Stanislaw Tillich (60) verlor Biko in den vergangenen Jahren kein gutes Wort (mehr).

So sagte er letztes Jahr: "Ich habe versucht, in zwölf Jahren Regierung das zu hinterlassen, was notwendig ist, um vernünftig weiterzumachen. Aber die Leute, die weitergemacht haben, haben es nicht begriffen."

Mit vernichtenden Äußerungen über Tillichs Eignung als Ministerpräsident nach der desaströsen Bundestagswahl 2017 dürfte er dessen Rücktritt befördert haben. Für Ministerpräsident Michael Kretschmer (44, CDU) hat er viel Lob übrig: "Er hat bewiesen, dass er es kann."

Dienstag feiert Biedenkopf in der Dresdner Frauenkirche mit vielen Gästen, darunter Kanzlerin Angela Merkel (65, CDU).

Das sagen Wegbegleiter und Gegner dem Jubilar

Peter Porsch (75), langjähriger Partei- und Fraktions-Chef von PDS/Linke: "Er war sicher der Meinung, er kann den Übergang, die Transformationen, denen wir ausgesetzt waren im Osten, da kann er was beitragen. Heute haben wir Folgen davon zu ertragen: Es wird endlich nach 30 Jahren mal drüber diskutiert, welche Demütigungen man im Osten ertragen musste."

Thomas de Maizière
(66, CDU), in Biedenkopfs Amtszeit u. a. Staatskanzlei-Chef: "Kurt Biedenkopf ist einer der prägendsten Politiker Deutschlands. Er ist einer der klügsten und strategisch weitdenkendsten Staatsmänner. Für mich ist Kurt Biedenkopf ein politischer Lehrer. Von ihm habe ich zum Beispiel gelernt, immer erst zu prüfen, was richtig ist, und erst dann, was durchsetzbar ist."

Landtagspräsident Matthias Rößler (65, CDU): "Ministerpräsident Lothar Späth gewann Kurt Biedenkopf als Spitzenkandidat, der für die Sächsische Union die absolute Mehrheit in den ersten drei Landtagswahlen errang. Biedenkopf holte mich als Kultusminister in sein Kabinett. Durch ihn konnte ich zehn Jahre lang eine erfolgreiche sächsische Bildungspolitik gestalten. Die Ära Biedenkopf war die beste Zeit im Freistaat Sachsen - jedenfalls bisher."

Nicht äußern wollten sich "Bikos" Nachfolger Georg Milbradt (74) und Stanislaw Tillich (60, beide CDU)...


Auch "Biko"-Jäger Karl Nolle gratuliert - auf seine eigene Art



Er ließ nie locker.:Karl Nolle (74, SPD) lässt es sich nicht nehmen, "Biko" auf seine Weise zu gratulieren. Nolle galt als DER "Polit-Jäger", der nicht nur Biedenkopf, sondern auch dessen Nachfolger Georg Milbradt (74) stürzte:.

"Zum 90. Geburtstag gratuliere ich mit Respekt. Kurt Biedenkopf war 1990 einer der profiliertesten CDU-Politiker in Bonn. Nach einigen Affären, vor allem um das von seinem Duzfreund gebaute Paunsdorf Center, trat Biedenkopf 2002 zurück.

Trotz beachtlicher Erfolge sind Biedenkopf und seine Nachfolger auch für das politische Versagen der seit 30 Jahren regierenden CDU verantwortlich. Das Resultat sind kaputtgesparte Infrastruktur, Tausende (vorhersehbar) fehlende Lehrer, Polizisten und Richter, Pflegenotstand, zunehmende Kinder- und Altersarmut, Minirenten und Niedriglöhne.

Einäugig und realitätsfern ist Biedenkopfs Feststellung: Sachsen, das Kernland von NPD, Pegida und AfD, wäre gegen Rechtsradikalismus immun, die aber leider überkommene Fremdenfeindlichkeit und den Antisemitismus in Sachsen unhistorisch übersieht."