Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 16.09.1999

Arbeit muss sich lohnen

Karl Nolle will sich für eine bessere Wirtschaftspolitik und mehr Gerechtigkeit einsetzen
 
DRESDEN. Zu übersehen ist Karl Nolle -nach eigenen Angaben 120 Kilo schwer und 1,86 Meter groß - wahrlich kaum. Seine SPD-Wahlwerbung im Osten der Stadt aber ebenfalls nicht. Auf den 2 000 Plakaten wechselten die Motive dreimal, hinzu kommen 20 große Tafeln. Faltblätter flattern in die Briefkästen, ob sie gewollt sind oder nicht. Zwischen der Werbung für zwei Supermärkte liegt scheinbar zufällig ein Blättchen mit den Zielen der SPD.

Als Druckerei- Unternehmer sitzt Karl Nolle, der sich selbst gern als der "gute Bär von der Bärensteiner Straße" bezeichnet, an der Quelle. "Trotzdem, es kostet schon richtig Geld", gibt er unumwunden zu, weigert sich aber konkrete Summen zu nennen. 170 Wahlveranstaltungen liegen hinter ihm, 7 000 Kilometer war er er in den letzten Wochen in Sachen SPD- und Eigenwerbung mit dem Auto unterwegs.

Schon vor den Kommunalwahlen im Juni hatte der 54-Jährige kräftig auf Werbung gesetzt. Zum Einzug in den Stadtrat reichte es aber nicht, obwohl sein Ergebnis zwei Prozent über dem Parteidurchschnitt lag. Am Wahltag hatte die Stadtverwaltung vor einem Wahllokal seine Plakate wegräumen und seinen Bus abschleppen lassen. Nolle klagte und kam so in alle Medien. Für ihn zahlte sich diese kostenlose Werbung aus. Innerhalb eines Monats stieg seine Popularität von 19 auf 29 Prozent, räumt er ein. Es geht ihm dabei in erster Linie um ein gutes Ergebnis für seine Partei, denn mit einem Listenplatz 6 ist sein Einzug in den Landtag ziemlich gewiss. "Arbeit zuerst", steht auf vielen SPD-Plakaten. Für das Thema Wirtschaft fühlt sich der Unternehmer Nolle im Wahlkampfteam um SPD-Landeschef Karl-Heinz Kunckel besonders berufen. "In Sachsen gibt es 90 000 Arbeitslose mehr als vor fünf Jahren. Das ist das Ergebnis der jetzigen Regierung", sagt er. Arbeit müsse sich lohnen. Wenn einer für einen Stundenlohn von 10 Mark 40 Stunden pro Woche arbeite, bleibe ihm netto kaum mehr als der Sozialhilfesatz. Statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, sollten auch einfache Arbeiten schmackhaft gemacht werden, durch sinkende Steuern und Sozialabgaben, durch Reduzierung der Lohnnebenkosten, fordert Nolle.

Seine zweite These: Gewinne sollten ins Unternehmen gesteckt und Mitarbeiter beteiligt werden. Mit letzterem hat er 1997 in seiner Druckerei begonnen und ein Viertel des Unternehmens an zunächst zehn Angestellte verschenkt, ein Millionenwert, wie er sagt. Inzwischen können alle 60 Mitarbeiter stille Gesellschafter werden. 800 Mark zahlen sie pro Jahr ein, Nolle legt weitere 300 steuerfrei drauf. Hohes Engagement und niedriger Krankenstand sind das Ergebnis. Er freut sich: "Die Leute fangen an, unternehmerisch zu denken."

Zu seinen Leitsätzen gehört: "Wer vorn sein will, muss Visionen haben und entscheiden können." Mit den Visionen fiel Nolle auch schon mal auf die Nase. 1986 flog er nach 23 Jahren Parteizugehörigkeit aus der SPD, weil er schon damals eine rot/grüne Koalition als Alternative zur CDU sah. Erst im September 1998 wurde er wieder Parteimitglied. Zu seinen Freunden aus Jungsozialisten-Zeiten gehört der heutige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Den "lieben Gerd" holte er zum Wahlkampf nach Dresden, nicht nur gestern zur Abschlusskundgebung, sondern auch schon im Juni zum Sommerfest in seiner Druckerei und im August zum gemeinsamen Wandern in der Sächsischen Schweiz. Und worin sieht Schwergewicht Karl Nolle seine größten Fähigkeiten? "In der Geduld und im Zuhören können."
(Bettina Klemm)