Karl Nolle, MdL

Pressemitteilung, 21.10.2002

... in unverbrüchlichen Treue zur DDR ?

" ... eine neue, wahrhaft demokratische Ordnung des Sozialismus ..."
 
"Kreisschulungsreferent" Dr. Andreas Schramm, Landrat, Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse Mittweida, Kirchenvorstand, Rundfunkrat und Vorsitzender des Landkreistages, gehandelt als Innenministerkandidat in Sachsen - eine ideologische Altlast? Eine talentierte Blockflöte als CDU Spitzenpolitiker in Sachsen?

Seine Biographie sieht so aus, als wenn er vor der Wende nicht gelebt hat. (1973 bis 1990 ein Satz "Ingenieurhochschule Mittweida".) Jetzt kann diese wundersame Lücke etwas geschlossen werden, er war CDU-Kreisschulungsreferent.
Nun ist u.a. ein Papier zur "Durchführung des Politischen Studiums im CDU-Kreisverband Hainichen 1984/85" aufgetaucht. Ich zitiere aus dem Papier, dass schon früh Schramms politisch/ideologische Begabung dokumentiert: (Kopien stelle ich auf Anfrage gern zur Verfügung)

" ... die CDU (...) ist zuverlässiger Bündnispartner der Partei der Arbeiterklasse als der führenden Kraft der sozialistischen Gesellschaft, (indem sie) eine neue, wahrhaft demokratische Ordnung des Sozialismus gestalten und die sozialistische Staatsmacht der DDR festigen hilft.

Die CDU (...) hat sich zu einer Partei des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus entwickelt, die aus christlicher Verantwortung und in demokratischer Verpflichtung die DDR unseren sozialistischen deutschen Arbeiter- und Bauernstaat, von Anfang an mit aufgebaut, geprägt, gefestigt und dabei an Eigenständigkeit und Schöpfertum stetig gewonnen hat.

Deshalb ist sie bereit und fähig, diesen Staat, der zur politischen Heimstatt auch christlicher Bürger geworden ist, weiter allseitig zu stärken und parteilosen Christen Beispiel und Hilfe für die Bewährung (...) im Sozialismus zu geben."


Dr. Andreas Schramm war als CDU-Kreisschulungsreferent, verantwortlich für das politische Studium im CDU Kreisverband Hainichen. Er hat sich noch 1984/85 mit politisch Ideologischer Arbeit in 8 Parteizirkeln als ideologischer "Lehrer" des CDU Kreisverbandes Hainichen hervorgetan. Er hatte die Aufgabe, die politisch ideologische Arbeit der Vorstände zu unterstützen und die Erkenntnisse und Grundsätze zu vermitteln und durchzuführen, die laut Maßnahmeplan zur Vorbereitung und Durchführung des Politischen Studiums 1984/85 im CDU-Kreisverband Hainichen festgelegt wurden. siehe obige Zitate.

Schramm war außer alleinverantwortlicher Kreisschulungsreferent auch Zirkelleiter für den Zirkel 7, OG Mittweida, OG Altmittweida und OG Höfchen. Die Anleitung der Zirkelleiter fand durch den Kreisschulungsreferenten Dr. Schramm im Kreissekretariat statt. Zu den Sekretariatssitzungen berichtete der Kreisschulungsreferent über die Ergebnisse der Zirkelarbeit, legte den Abschlußbericht vor und unterbreitete Schlußfolgerungen für das neue Studienjahr.

Ein Kreisschulungsreferent der CDU war verantwortlich für die ideologische Festigung und Unterstützung der Zirkel und Vorständeder Partei. Er war in der Regel Mitglied des Nomenklatursystems der SED. Wer solche politische Kaderfunktion innehatte, der wusste, was er politisch vertreten musste und welche politisch ideologische Anforderungen insgesamt daran geknüpft waren.

Was war das Kadernomenklatursystem der SED?

Das Herzstück der SED-Kaderpolitik waren die sogenannten Kadernomenklaturen, also Verzeichnisse der Führungspositionen in den Parteien, gesellschaftlichen Organisationen, im Staatsapparat usw. Diese Positionen durften nur von entsprechenden Nomenklaturkadern, die aus der Sicht des SED-Apparates geeignet waren, besetzt werden. Das Netz der Kadernomenklaturen umspannte von der Zentrale bis zu den Städten und Gemeinden alle gesellschaftlichen Bereiche (mit Ausnahme der Kirchen) und ermöglichte der SED die gezielte Besetzung aller wichtigen Positionen. Die Zugehörigkeit zur Nomenklatura war parteiunabhängig, wobei natürlich das Gros der Positionen von SED-Genossen besetzt wurde. Alle Führungsfunktionäre der Blockparteien (CDU, LDPD, DBDB, NDPD) waren so z.B. Nomenklaturkader ihrer zuständigen SED-Leitungen. Insgesamt gab es ca. 400,000 Nomenklaturkader.

Bestandteil der Nomenklaturen ist ein Anforderungskatalog an die Nomenklaturkader, der von der “unverbrüchlichen Treue zur DDR" bis hin zur Erfüllung fachlicher Anforderungen reicht. Die zentrale Kategorie ist dabei “die politische Vertrauenswürdigkeit des ausgewählten Kaders” für den SED-Apparat. Auf diese Weise hat die SED ihre “führende Rolle" umgesetzt.

Der Sachverhalt des Nomenklatursystems wurde zum Ende der DDR hin erfolgreich vertuscht. Das reichte vom Verschwindenlassen des “Zentralen Kaderprojektes der SED" in der Berliner Wuhlheide bis zu den Vernichtungsaktionen an Personalakten durch den Personalaktenbeschluß der Modrow­Regierung vom 22. Februar 1990, der die Bereinigung der Akten nach sich zog.

In der Folge hat die Verengung der Vergangenheitsbewältigung auf das Thema “Staatssicherheit" die Beurteilung der Nomenklaturkader weiterhin begünstigt, da das Belastungskriterium Stasi für sie möglicherweise nicht zutreffend war.

Aber die Nomenklaturkader gaben entweder der Stasi die Befehle oder arbeiteten mit ihr offiziell zusammen, was inoffizielle Anwerbung durch das MfS natürlich erübrigte.

Diktaturen zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie Widerstandskämpfer in solchen Positionen dulden.

(mehrseitige Kopien des Orignals stelle ich auf Anfrage gern zur Verfügung)

Mit freundlichem Gruss
KARL NOLLE, MdL



Ps.
Ist es noch eine Frage, dass solche Ehrenmänner an der politischen und Verwaltungspitze von Landkreisen stehen sollten und Rechts-,Fach- und Sachaufsicht im demokratischen Gemeinwesen wahrnehmen sollten?

Ist es noch eine Frage, dass solche Ehrenmänner heute Präsidenten von Landkreistagen sein sollten?

Ist es noch eine Frage, dass solche Ehrenmänner heute im Rundfunkrat einer öffentlich rechtlichen Anstalt sitzen sollten?

Ist es noch eine Frage, dass solche Ehrenmänner als Kandidaten zum CDU Innenminister gehandelt wurden?

Ist es noch eine Frage, für solche Ehrenmänner Persilscheine auszustellen?