Karl Nolle, MdL

Rede im Plenum des 3. Sächsischen Landtages, 72. Sitzung,, 10.12.2002

Die Regierung muß sich am Haushalt messen lassen ...

TOP 3.7 Einzelplan 07 " Haushalt des Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit -SMWA"
 
Nolle, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft bin ich mir einig darin, „dass sich die Regierung dieses Landes an ihrem Haushalt messen lassen muss". Ich hoffe, dass Sie irgendwann einmal von der Parole „Reform ja, aber nur, wenn sich nichts Wesentliches ändert" zu wirklichen Veränderungen und Verbesserungen, auch was die Wirtschaftspolitik angeht, kommen.

Ministerpräsident Milbradt hatte wohl die Förderung des Mittelstandes im Blick, als er damals zu Amtsantritt darüber gesprochen hat. Er hat das Gleiche noch einmal vor zwei Wochen in der Lausitz betont. Es gehe ihm darum, „Ansiedlungen und Mittelstand zu fördern, damit aus kleinen Firmen größere entstehen könnten". Ich bin der Meinung: Jawohl, das wäre neu in Sachsen, sich um die Konsolidierung und das Wachstum der vorhandenen Mittelständler zu kümmern und nicht nur um Aufbau, Aufbau, Aufbau. Das macht ja auch Sinn; denn viel persönliches Engagement, viel Energie, Fleiß und privates Risiko sind schon in die tragenden Säulen unserer sächsischen Wirtschaft gesteckt worden. Um das bis heute ungelöste Problem von stagnierender Wirtschaft, von fast 400 000 fehlenden Arbeitsplätzen zu lösen, müssten wir in Sachsen, meine Damen und Herren, noch über 100 BMW-Ansiedlungen hinkriegen. Nicht sehr realistisch, glaube ich. Oder ist jemand anderer Meinung?

Bei aller Freude und bei allem Dank über die Erfolge mit diesen Großansiedlungen - das Grundproblem in Sachsen lösen Sie heute nicht mehr, nämlich, dass wir von dem, was wir gemeinsam konsumieren und investieren, bis heute nur etwa 50 % selber in Sachsen erwirtschaften. Unser Überleben hängt noch Jahrzehnte am Tropf der alten Bundesländer. Das ist die Realität.

Aber offenbar setzt Prof. Milbradt andere Prioritäten als sein Wirtschaftsminister. Diesem geht es vor allem um die Ansiedlung internationaler Großunternehmen, wie man hört, und dafür will Minister Gillo sogar einen Ansiedlungsbeauftragten an seine Seite holen, wie man lesen kann. Ob diese falsche Fortsetzung biedenkopfscher Leuchtturmillusionen - wie ich meine: zulasten des Mittelstandes und des Handwerks - den Mittelständlern in der eigenen Partei, Herr Gillo, schmeckt, bleibt abzuwarten.

Ich habe mir vorhin Ihr Redemanuskript, welches ja schon an die Presse verteilt worden ist, angeschaut. Nach meinem Ausdruck enthält es 150 Zeilen Text. Herr Gillo, fünf Zeilen - das sind 3,5 % Ihres Manuskripts - behandeln den Mittelstand und enthalten das Wort Mittelstand und vier Zeilen - ganze 2,5 % Ihres Textes - reden von Arbeitsplätzen. Das ist die Rede unseres Ministers für Wirtschaft und Arbeit, die wir nachher hören werden: 3,5 % Mittelstand, 2,5 % Arbeitsplätze. Da müssen Sie sich aber beeilen, Herr Gillo, wenn Sie das noch ändern wollen.

(Beifall bei der SPD)

Das macht deutlich, dass der Minister für Wirtschaft und Arbeit offensichtlich andere Prioritäten hat als Wirtschaft und Arbeit und wahrscheinlich auch andere als Mittelstand und Arbeitsplätze.

Der Haushalt des SMWA, den wir hier auf der Tagesordnung haben, meine Damen und Herren, trägt die Hauptlast der Kürzungen am Gesamthaushalt, nämlich 39,9 also 40 %, und spart dabei intern überproportional bei den Fördermitteln für den Mittelstand. So setzen also Prof. Milbradt und Dr. Gillo ihre Ziele für den Mittelstand und das Handwerk um. Hat Dr. Gillo im Juli dieses Jahres noch verkündet, dass er „nach Kräften alles unterstützen wird, was der Lausitz hilft", streicht er nun gänzlich die Mittel für eine gezielte Marktzugangsförderung in den strukturschwachen Gebieten.

Gleichzeitig kürzt er aber auch die Mittel zur Förderung von Außenwirtschaft, Messen und Ausstellungen um ganze 40 %. Und im Angesicht des diesjährigen Pleitenrekords werden beim Liquiditätshilfeprogramm satte 50 % und bei den Mitteln zur Rettung und Umstrukturierung 30 % gestrichen.

(Jurk, SPD: Wer kriegt das eigentlich?)

- Das ist die Frage, Kollege Jurk, wer das kriegt, wo das bleibt. Dabei kann die einzige richtige Botschaft, und das ist doch wohl für uns alle klar, angesichts der schwierigen Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage doch nur ein Aufstocken der Mittel sein und nicht ein Abbau der Mittel.

(Beifall bei der SPD)

Die Weisheit der christdemokratischen Wirtschaftspolitiker hat diese mittelstandsfeindlichen Signale von Milbradt und Gillo mitgemacht und die vielen kleineren und größeren Kürzungen bei den mittelstandsbezogenen Förderprogrammen im Ausschuss abgesegnet. Sie schmetterten wie üblich alles ab, was nicht in ihre Generallinie passte.

(Dr. Hahn, PDS: Unglaublich!)

So sind unsere Spezialisten für Allgemeines aus der CDU, die nicht einen einzigen Unternehmer in ihren eigenen Reihen haben, nicht einen einzigen Unternehmer, der weiß, was persönliches Risiko, persönliche Verantwortung für viele Mitarbeiterfamilien bedeutet und der jeden Tag mit minimalem Eigenkapital die maximale Entwicklung für sein Unternehmen schaffen muss. Ich warte auf den Tag, Herr Lämmel, wenn Sie mal bei mir in meinem Betrieb ein Praktikum machen und wirklich mal die Wirklichkeit von Wirtschaftspolitik kennen lernen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie für 63 oder mehr Arbeitnehmer Verantwortung tragen, für zehn oder mehr Auszubildende, dann können Sie auch über Wirtschaftspolitik reden. Was Sie hier abgeliefert haben, ist nichts weiter als Sprücheklopferei, Spezialistentum für Allgemeines. Schade, Herr Kollege Fraktionsvorsitzender der CDU, schade, dass Sie bisher keinen gefunden haben, der die Arbeit für Sie machen will, der sich als Unternehmer für Sie hier hinstellt, um Ihre komische Politik zu vertreten.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD - Dr. Hähle, CDU: Die SPD-Fraktion ist stolz! - Zuruf aus der CDU: Pure Verleugnung!)

Sie können sich ja mal bemühen, einen zu finden, Ihre Irrungen und Wirrungen zu vertreten. Reicht es nicht, meine Damen und Herren, dass sich nach einer aktuellen Creditreform-Umfrage fast 40 % der sächsischen Unternehmer mit ihrem Wirtschaftsstandort unzufrieden geben? Maßgebliches Problem ist doch, Sie wissen es, der immer schwerere Zugang zu notwendigen Finanzierungsmitteln. Deshalb richten Sie einen Fonds ein und statten ihn, sagen wir, mit insgesamt 40 Millionen Euro aus. Diese Mittel stellen Sie dann den kleinen und mittelständischen Unternehmen in Sachsen zur Entwicklung neuer Produkte, zur Finanzierung des Besuchs einer Spezialmesse, zur Umsetzung einer gezielten Werbekampagne, zum Beispiel in einem benachbarten EU-Beitrittsland, oder für Produktentwicklung oder eine Zertifizierung oder, oder ... zur Verfügung.

Da man auch mit diesen 40 Millionen Euro keine großen Sprünge machen kann, werben Sie entweder noch andere Mittel ein oder Sie führen diese Mittel in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit der Unternehmen wieder in den Fonds zurück - ein revolvierender Fonds. Nicht nur, dass Sie diese Mittel dann wieder in Erfolg versprechende Projekte investieren können, Herr Lämmel, nein, Sie haben über die Verwaltung dieser flexiblen Förderfonds auch noch Erfahrungen gesammelt, die dem noch gezielteren und effektiveren Einsatz dieser Mittel zugute kommen können.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich hoffe für Sie, Herr Minister Gillo, dass Sie heute zu dieser Idee nicht genau so schweigen wie vor zwei Wochen im Wirtschaftsausschuss. Ohne eine weitere, verstärkte finanzielle Rückendeckung vom Staat wird sich nämlich weder das Gründungsklima zum Positiven wandeln noch der Aufwärtstrend bei den Insolvenzen zu stoppen sein. Die finanziellen Reserven der Unternehmen nehmen nach Beobachtungen von Creditreform immer weiter ab. Binnen Jahresfrist ist die Zahl der Unternehmen, deren Eigenkapital weniger als 10 % der Bilanzsumme ausmacht, von 39,6 auf 41,2 % gestiegen. Nur noch jede sechste Firma weist eine Eigenkapitalquote von mehr als 30 % auf und die Ostunternehmen haben davon nur 30 % von westdeutschen Unternehmen.

Meine Damen und Herren, deshalb fordere ich Ihre Zustimmung zur Einstellung von jährlich 20 Millionen Euro in einen Titel, der dem sächsischen Mittelstand flexibel und entsprechend den firmenindividuellen Bedürfnissen zur Verfügung steht. Mittelstand und Handwerk brauchen gerade in rezessiven Phasen antizyklische Unterstützung ihrer Leistungsbereitschaft. Davon haben Sie doch in Wahlkampfzeiten so schön fabuliert, meine Damen und Herren von der CDU. Hoffentlich hat sich dabei der Baron von Münchhausen nicht von der Weser an die Elbe verirrt. Da bin ich mir aber nicht ganz so sicher.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Das Wort hat die PDS-Fraktion. Herr Abg. Zais, bitte.

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72(1). Sitzung

Gegen die Stimmen einiger Abgeordneter wurde den Kapiteln 07 01 und 07 02 durch Stimmenmehrheit des Hauses zugestimmt.

Zum Kapitel 07 03 liegt uns mit der Drucksache 3/7483 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Titel 683, 01 (neu) vor. Diesen bitte ich einzubringen. Herr Abg. Nolle, bitte.

Nolle, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihre Geduld nicht allzu sehr strapazieren. Es geht um die Einführung eines revolvierenden Fonds für kleine und mittelständische Unternehmen. Uns schwebt vor, zunächst pro Jahr in 2003 und 2004 jeweils 20 Millionen Euro einzustellen, das sind 40 Millionen Euro. Dieser Zuschuss soll vor allen Dingen die Finanzierungsengpässe durch Basel II, die schon angesprochen worden sind, etwas lindern helfen. Eine Zweckbindung sehen wir ausdrücklich nicht vor, weil wir glauben, dass wir alle zusammen Erfahrungen sammeln sollten, wie mit einem solchen Fonds tatsächlich unternehmensspezifische Projekte gestützt und gefördert werden können.

Diese Fondsmittel sollen befristet und zinslos zur Verfügung gestellt und in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf jeden Fall zurückgeführt werden. Dieser revolvierende Fonds speist sich immer wieder aus den Rückzahlungen und kann damit in der Zukunft immer wieder anderen Unternehmen zugute kommen.

Ich bitte diesem Antrag zuzustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)