Karl Nolle, MdL

Dresden/Äußere Neustadt, Restaurant DRACHEN, 06.10.2000

Antrittsrede als designierter Kandidat der Dresdner SPD zur OB-Wahl 2001

(gehalten anläßlich des Presseempfanges)
 
Liebe Greta Wehner, Sehr geehrte Damen und Herren von Presse und Fernsehen,
Liebe Kollegen der Druckhaus Dresden GmbH, Liebe Freunde der Dresdner Bürgergesellschaft für Kulturförderung, Liebe Freunde, Liebe Genossinnen und Genossen,

Zunächst möchte ich mich bei allen ganz herzlich bedanken, die mir dies außergewöhnliche große Vertrauen zum designierten OB-Kandidaten der Dresdner SPD entgegengebracht haben.

Ich werde in den nächsten Wochen die Stadtteile und Ortsvereine besuchen, um mich weiter persönlich vorzustellen und um Fragen und Probleme vor Ort aufzunehmen.
Ich werde mit dem Bündnis 90/DIE GRÜNEN und der PDS sprechen, um die Chancen eines notwendigen Wahlbündnisses auszuloten. Das ist keine Frage des Gefühls sondern es wird ein Bündnis der Vernunft sein. Nur in einer gemeinsamen Allianz, ohne Parteischeuklappen, haben wir die größten Chancen, den jetzigen Amtsinhaber zu stürzen.

Aber zunächst ein paar Worte zu mir. Als ich 1985 zum ersten Mal nach Dresden kam, sind mir Bilder in Erinnerung geblieben, nicht in erster Linie die Semperoper, nicht der Canaletto-Blick, sondern die Villen im Grünen, die schönen Elbhänge und vor allem das Blaue Wunder, die geniale Brücke, die mich als technikbegeisterter Mensch faszinierte.
Blasewitz, dessen Schirmherr zur 650-Jahrfeier ich kürzlich sein durfte, ist seit 1990 meine Heimat und die meiner Frau Christl, unser Lebensmittelpunkt, der Sitz unserer Firma, des weltweit einzigartigen Lichtdruck-Museums und hier ist mein Kommunal- und Landtagswahlkreis.

Blasewitz ist bekannt für seine, Liberalität, Toleranz und Offenheit sowie für Kunst und Kultur, für aufgeklärte Bildungsbürger mit Lebenssinn und Bürgermut.
Das ist das totale Kontrastprogramm zur verkniffenen und verbissenen, bürgerlichen Mehrheit, die heute im Rathaus regiert, machtbesessen und machtversessen.

Wie oft haben wir uns die Frage gestellt und sie wird uns immer wieder gestellt, was ist heute eigentlich links oder was ist soziale Gerechtigkeit.
Und wir wissen, daß das in unserer Geschichte
vielfachen Wandel erfahren hat.
Die Antwort auf diese beiden Fragen beantwortet uns heute, jeden Tag neu, die festgemauerte Mehrheit von Betonköpfen im Rathaus.

Wenn gegen die katastrophalen Dürreexperimente mit der Kultur in Dresden abzulehnen, links ist, dann sind wir links.
Wenn gegen die Austrocknung der freien Jugendarbeit und Jugendprojekte zu kämpfen, links ist, dann sind wir links.
Wenn gegen die unerträglichen Kürzungen im Sozialbereich bei Kitas und Horten anzurennen, links ist, dann sind wir links.

Ich bin sicher, Wegziehprämien von einigen tausend Mark für Arbeitslose und Abrissprämien für nicht mehr benötigten Wohnraum sind die falschen Zeichen im Lande um den Menschen hier die soziale Marktwirtschaft schmackhaft zu machen.

Ebenso wie der Verkauf von Krankenhäusern, die gut funktionieren und gut am Markt stehen und anderer verdienstvoller kommunaler Unternehmen (wo man Gewinne privatisieren und die verlustbringenden Objekte bei der Solidargemeinschaft belassen will)

Diese Politik, meine Damen und Herren, ist eine einzige Wählertäuschung, es ist Wahlbetrug durch Wagner und die CDU. Niemand ist für diese Kahlschlagpolitik gewählt worden und sie trifft die Stadt an ihrer wichtigsten und sensibelsten Stelle. Kultur ist der Lebensnerv dieser Stadt und ein wichtiger, wenn nicht gar der wichtigste Wirtschaftsfaktor.

Wir müssen wieder in die Köpfe und Herzen investieren nicht in Beton und Eisen.
Es ist nicht die Stadt am liebenswertesten, die im Betonverbauen den ersten Preis gewinnt.

Die Menschen in Dresden sind nicht Haushaltstitel oder Zahlenreihen, sie sind kein Zahlenmaterial für Buchhalter. Sie sind das wichtigste Kapital unserer Unternehmen und der Stadt. Nicht, daß ich gegen sinnvolle Einsparungen bin, ich weiß, was Gewinn und Verlust und was Schulden und Forderungen sind. Aber die sprichwörtliche Selbstgefälligkeit der 39-er Mehrheit im Rathaus sieht eine Einbeziehung der Betroffenen gar nicht erst vor, aus Angst, die Macht könnte ihnen entgleiten.

Beispiel: Niemand von Ihnen war persönlich im Schülerrechenzentrum und hat sich einen unmittelbaren Eindruck gemacht (Nolle war da!) als es zur Schließung anstand.. Keine Besuche vor Ort, keine Gespräche mit den Lehrern, mit Schülern oder mit dem Förderverein. Mit den Betroffenen wurde nicht gesprochen, es wurde administriert – von oben herab.

Aber das Rathaus ist für die Bürger da, nicht die Bürger für das Rathaus. Das Rathaus muß ein Dienstleistungsunternehmen sein. Und wir wollen das gläsere Rathaus, in dem jeder Mitarbeiter (der OB inclusive) morgends ein deutliches „JA-Schild“ auf seinen Schreibtisch stellt und den Tag mit mindestens zweimal Lächeln beginnt.

Dresden muß nach der braunen, dann mausgrauen Zeit, endlich bunt werden, wie ein Strauß Blumen der unterschiedlichen individuellen Eigenschaften und Kulturen seiner Bürger.

Geht es um die Verteidigung der Demokratie,
muß das Stadtoberhaupt als Mahner an der Spitze des Bürgerengagements stehen, für Zivilcourage, gegen Intoleranz und Gewalt.

Der Oberbürgermeister dieser Stadt muß Mut, Entschlossenheit, Entscheidungsfähigkeit, Gradlinigkeit, Toleranz und Gerechtigkeit im Amte zeigen. Ich traue mir das zu.

Und ich werde dabei tatkräftig von meiner Frau Christl unterstützt. Packen wir’s gemeinsam an !