Karl Nolle, MdL

LESERBRIEF SZ, 08.09.2000

Das öffnet den Horizont

Leserbrief contra, von Thomas Knoh aus 01877 Schmölln
 
Zu "Mauer im Kopf" und "Wer da von ausbluten spricht, hat ein Rad ab" (SZ 1.9.) Zu diesem Thema äußert sich auch Thomas Knoh aus 01877 Schmölln:
Ein Lob dem Arbeitsamt Bautzen für die Initiative, Jugendliche unter anderem in den süddeutschen Raum zur Ausbildung zu vermitteln und sie für meine Begriffe mit einem großzügigen Startbeitrag. Dieses Handeln entspricht den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung.
Ausbildungs- und Studienplätze stehen jedem Jugendlichen in Deutschland, Europa und weltweit zur Auswahl und es ist deren freie Entscheidung, diese zu nutzen. Sie lernen andere Regionen kennen. Das öffnet den Horizont. In diesem Zusammenhang sollte an des Wandergesellentum erinnert werden! In unserer Region sind viel zu viele Jugendliche arbeitslos entweder gleich nach Schulabschluß oder nach der Berufsausbildung. Und die bitterste Pille, die auch unsere Kommunalpolitiker schlucken müssen.
Wenn Herr Nolle (SPD) nun meint unsere Region wird "ausgeblutet", dann hat er die Regularien der freien und sozialen Marktwirtschaft nicht begriffen. Er sollte besser seine ganze Kraft dafür einsetzen, daß hier Arbeitsplätze entstehen. Es hat den Anschein, daß man sich an die extrem abnormal hohe Arbeitslosigkeit gewöhnt hat, die wahrscheinlich höchste aller entwickelten Industrieländer überhaupt, und das ist beschämend.

(Kommentar von Karl Nolle: "Der Leserbrief von Herrn Knoh aus Schmölln steht nicht im Widerspruch zu den Absichten meiner Presseerklärung vom 30.8.00. Diese Erklärung trifft den wunden Punkt vom Scheitern der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Sächsischen Staatsregierung. Wer nicht das Dilemma sehen will, in dem sich diese Politik nach zehn Jahren in den vergessenen, armen Regionen außerhalb der Metropolen in Sachsen, befindet, der leidet tatsächlich unter Realitätsverlust und nicht derjenige der auf diese offensichliche tragische Konsequenz hinweist, nämlich sämtliche 400.000 Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen, ob jung oder alt, aus ihrer angestammten Heimat Sachsen wegzuschicken, weil die Politik ihnen hier nicht mehr helfen kann. Wie gut es für der einzelnen Betroffenen ist, in Bayern bei AVON-Kosmetik zur AVON-Beraterin für Haustürgeschäfte ausgebildet zu werden und dafür 5000 Mark Prämie zu bekommen, will ich nicht kommentieren. Die CDU-Politiker der sozialen Marktwirtschaft haben 1990 die Verantwortung für die Regelung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lebensinteressen von den Bürgern der DDR übertragen bekommen. Hätten die Bürger das getan, wenn sie gewußt hätten, daß heute, nach dem Plattmachen der Arbeitsplätze, nur ein Schulterzucken bleibt, "sorry wir haben doch alles versucht".
Nach dem das Recht auf Arbeit und Wohnung abgeschafft wurde, ist übriggeblieben das ausgeprägte Recht auf Arbeitslosigkeit.
Da werden dann Wegzugsprämien gezahlt für Arbeitslose und Wohnungsabrissprämien für überzählige Wohnungen. War das die Vorstellung der Montagsdemonstranten?
Ist das Ihr Traum gewesen?

Ja, wir sind so frei:
"Jeder hat bei uns das garantierte Recht, unter den Brücken zu schlafen"

Ich bin der Meinung, Professor Biedenkopf sollte seine schlauen Philosophien doch in der Lausitz verkünden, oder im Erzgebirge, oder im Südraum Leipzig, anstatt durch die feine Kongresswelt zu reisen und philosophischen Nebel zu produzieren. Den Menschen ist mit Selbstbeweihrächerung und Beschönigen, mit Loben und Preisen, nicht geholfen.

Ja, es ist wahr, diese Herren werden erst dann nicht mehr die Hoffnungen und das Vertrauen der betroffenen Menschen ignorieren, wenn die sächsischen Wahlergebnisse sie dazu zwingen aufzuwachen.")