Karl Nolle, MdL

Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Dresden, 15:41 Uhr, 07.05.2009

Verwaltungsgericht verpflichtet Sächsische Staatskanzlei zur Erteilung von Auskünften aus der Personalakte des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich

 
Verwaltungsgericht Dresden - Pressesprecher -

Pressemitteilung vom 7. Mai 2009

Verwaltungsgericht verpflichtet Sächsische Staatskanzlei zur Erteilung von Auskünften aus der Personalakte des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich

Dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL muss vollumfänglich und wahrheitsgemäß in schriftlicher Form Auskunft zu bestimmten Fragen über die schriftliche(n) Erklärung(en) des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich erteilt werden, die dieser zu seinem Lebenslauf und seiner Vergangenheit in der ehemaligen DDR seit dem Jahr 1999 vor den jeweiligen Ernennungen zum Staatsminister und seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten abgegeben hat. Dazu hat die für das Presserecht zuständige 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Dresden heute den durch die Sächsische Staatskanzlei vertretenen Freistaat Sachsen im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet. Den weitergehenden Antrag des Magazins, Kopien dieser schriftlichen Erklärungen herauszugeben, hat die Kammer dagegen abgelehnt.

Der zum Verfahren beigeladene Ministerpräsident hatte anlässlich seiner erstmaligen Ernennung zum Sächsischen Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten im Jahr 1999, der nachfolgenden Ernennung zum Staatsminister und Chef der Staatskanzlei im Jahr 2002, der Ernennung zum Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft im Jahr 2004, zum Staatsminister für Finanzen im Jahr 2007 und der Ernennung zum Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen Angaben zu seinem beruflichen Werdegang in der ehemaligen DDR gemacht. Hierzu hatte er jeweils den für Mitglieder der Sächsischen Staatsregierung bestimmten Fragebogen ausgefüllt. Im November 2008 wurde in Presseveröffentlichungen die berufliche Rolle des Ministerpräsidenten im Zusammenhang mit dem Staatsapparat der ehemaligen DDR untersucht. Dabei wurden Vorwürfe laut, er habe bisher seine Biographie und insbesondere seine Rolle im Staatsapparat der ehemaligen DDR geschönt und in den genannten Fragebögen ungenaue Angaben gemacht. Der Ministerpräsident ist dem durch Veröffentlichung von Angaben zu seiner Biographie und der ihn betreffenden Unterlagen der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) entgegen getreten. Die vom SPIEGEL von der Sächsischen Staatskanzlei unter Berufung auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch weiterhin geforderte Herausgabe der Erklärungen, die der Ministerpräsident zu seinem Lebenslauf abgegeben hatte, sowie die Erteilung weiterer Auskünfte hat die Sächsische Staatskanzlei abgelehnt.

Das vom SPIEGEL angerufene Verwaltungsgericht Dresden führt in seinem Beschluss aus, dass im vorliegenden Einzelfall dem presserechtlichen Auskunftsanspruch keine überwiegenden öffentlichen Interessen oder schutzwürdige private Interessen entgegen stünden. Dem Auskunftsanspruch einer freien Presse, die ein Wesenselement eines freiheitlichen Staates und für eine moderne Demokratie unentbehrlich sei, stünde hier das öffentliche Interesse des Freistaates Sachsen als Dienstherrn des Ministerpräsidenten an dem Schutz der Vertraulichkeit von Personalakten sowie das private Interesse des Ministerpräsidenten zur Wahrung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber. In diesem Spannungsfeld sei eine umfassende Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und Interessen vorzunehmen, die hier zugunsten des presserechtlichen Auskunftsanspruchs ausgehe. Die Presse habe in der repräsentativen Demokratie u.a. die Aufgabe, an der politischen Meinungsbildung mitzuwirken. Hierzu sei sie darauf angewiesen, sich Informationen auch aus nicht allgemein zugänglichen Quellen zu verschaffen. An den vom SPIEGEL nachgefragten Informationen bestünde angesichts des unmittelbar bevorstehenden Landtagswahlkampfes ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Demgegenüber habe das Recht des Ministerpräsidenten auf Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts hier zurückzustehen, weil mit den anlässlich der Ministerernennungen durch Fragebögen gestellten Fragen ebenfalls ein öffentliches Kontrollbedürfnis erfüllt werde. Zudem sei von Belang, dass die in den Fragebögen gestellten Fragen nicht den rein privaten Bereich, sondern die berufliche und politische Vergangenheit des Erklärenden beträfen. Für einen Vorrang des öffentlichen Informationsanspruchs spreche die herausgehobene Amtsstellung des Ministerpräsidenten, der als Spitzenkandidat der größten Regierungspartei in den bevorstehenden Landtagswahlkampf gehe, und der im Übrigen selbst bereits weite Teile nicht nur seiner privaten Biographie, sondern auch diejenige seiner Familienmitglieder öffentlich gemacht habe.

Ein Anspruch auf Herausgabe von Kopien aus der Personalakte des Ministerpräsidenten oder auf Einsichtnahme in die Akte bestünde dagegen nicht, weil der presserechtliche Auskunftsanspruch dies allenfalls ausnahmsweise vorsehen könne. Hier sei nicht erkennbar, dass der an Recht und Gesetz gebundene Freistaat Sachsen aufgrund der durch das Gericht ausgesprochenen. Verpflichtung zur Auskunftserteilung dieser nicht wahrheitsgemäß oder nicht vollständig nachkommen werde.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden (Az.: 5 L 42/09) können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung Beschwerde zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen erheben.

Robert Bendner

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Zum Hintergrund:

§ 4 Sächsisches Pressegesetz lautet:

Informationsrecht der Presse

(1) Alle Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse und des Rundfunks, die sich als solche ausweisen, die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen, sofern nicht dieses Gesetz oder allgemeine Rechtsvorschriften
dem entgegenstehen. Das Recht auf Auskunft kann nur gegenüber dem Behördenleiter oder dem von ihm Beauftragten geltend gemacht werden.

(2) Die Auskunft darf verweigert werden, wenn und soweit

1. Vorschriften über die Geheimhaltung und über den Persönlichkeitsschutz entgegenstehen,
2. durch sie die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte.
3. durch sie ein überwiegendes öffentliches oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder
4. ihr Umfang das zumutbare Maß überschreitet.
(3) Allgemeine Anordnungen, die einer Behörde Auskünfte an die Presse verbieten, sind unzulässig.
(4) Der Verleger einer Zeitung oder einer Zeitschrift kann von den Behörden verlangen, daß ihm deren amtliche Verlautbarungen gleichzeitig mit seinen Mitbewerbern zugänglich gemacht werden.
(5) Die Rundfunkanstalten sind nicht nach den Absätzen 1 bis 4 auskunftspflichtig.


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m Wortlaut: Beschluss des Verwaltungsgerichtes Dresden zu MPTillich